Es war ein Privileg, Pilot oder Stewardess bei der einzigen staatlichen Fluglinie der DDR zu werden. Die Auswahlkriterien bei der Interflug waren streng. Neben Mehrsprachigkeit und tadellosem Auftreten wurde selbstverständlich großer Wert auf „staatsbürgerliche Reife“ gelegt. Für den Einsatz in den Fluglinien kamen nur wenige Personen in Frage. Diese mussten sich, neben der flugtechnischen Eignung, zum sozialistischen Staat bekennen, sollten verheiratet sein und keine Westkontakte haben. Denn die Flugrouten führten auch ins nichtsozialistische Ausland.
Die Angestellten der Interflug waren Repräsentanten der DDR im Ausland. Die Dienstuniformen der Stewardessen und Piloten wurden deshalb auch vom Modeinstitut der DDR entworfen. Nicht alle Stewardessen durften ins kapitalistische Ausland fliegen und Beziehungen zwischen Stewardessen und Piloten waren unerwünscht.
„Gute Ausbildung der Piloten war von Anfang an oberstes Gebot. Aber sie mussten auch mit beiden Beinen fest auf sozialistischem Boden stehen‘, im Regelfall Mitglied der SED sein und möglichst nicht alleinstehend – die Kapitäne der DDR-Interflug.“
Aus dem Spiegel vom 10.09.2008
Um Pilot bei der Interflug zu werden, brauchte man den 12. Klasse-Abschluss mit Abitur. Wegen der zahlreichen Auslandsaufenthalte wurde jeder zukünftige Pilot gründlich durch die Staatssicherheit überprüft. Später wurden DDR-Piloten gar in drei Zuverlässigkeitskategorien eingeteilt: „K. A.“ bedeutete, der Pilot durfte ins kapitalistische Ausland, „N.S.W.“ ins nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet und „S.W.“ (nur) ins sozialistische Wirtschaftsgebiet fliegen. Wer im Westen engere Verwandte hatte, wurde normalerweise nicht ins „K.A.“ gelassen.
Durch Vermittlung des bundesdeutschen Politikers Franz Josef Strauß (CSU) erhielt die Interflug im Sommer 1989 drei Flugzeuge vom Typ Airbus A310-300. Hier ein Passagierflugzeug Airbus A310 der INTERFLUG mit der Kennung DDR-ABA (nach der Landung vom Erstflug nach der Übergabe aus dem Herstellerland) auf dem Vorfeld des Flughafens in Berlin-Schönefeld, 1989 DDR
Quelle: © ddrbildarchiv /Robert Grahn
Das wichtigste Arbeitsfeld waren die Cockpits der Interflug-Flotte. Da die Flugzeugfertigung der DDR bald zu teuer war, kamen vorrangig sowjetische Flugzeuge zum Einsatz. Geflogen wurde in Antonow 24, Iljuschin 18, Tupolew 134/A oder der IL 62, zunächst innerhalb der DDR und ins sozialistische Ausland. Bald kamen weltweit Ziele hinzu, nur Australien blieb außen vor. Der unrentable Inlandsverkehr in der kleinen DDR blieb auf der Strecke und wurde 1980 eingestellt.
Cockpit des A310 auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld, DDR, 1989
Quelle: © DDR Museum
Der Werdegang bei der Interflug war nicht mit der heutigen Laufbahn eines Piloten beispielsweise bei der Lufthansa vergleichbar. So waren die ersten Piloten der Interflug, wie in anderen Ländern zu Beginn der Zivilluftfahrt nach dem zweiten Weltkrieg auch, größtenteils Militärpiloten. Sie wurden auf Lehrgängen in der damaligen Sowjetunion für die zivile Luftfahrt umgeschult. Die Pilotenausbildung konnte nur über ein Ingenieursstudium absolviert werden. Das Studium zum Diplom-Ingenieur für Flugzeugführung dauerte 3 Jahre. Zwischen 1966 und 1972 fand die Ausbildung an der zivilen „Ingenieurschule für Verkehrstechnik Dresden, Außenstelle Berlin-Schönefeld“, also direkt bei der Interflug, statt. Ab 1973 ging das nur noch über die militärische Hochschule, in Verbindung mit einer langjährigen Verpflichtung bei der Nationalen Volksarmee (NVA). Nach drei Jahren wurden zum Abschluss der Ausbildung Gespräche über den weiteren Einsatz in der NVA geführt. Einige Ingenieure wurden als Piloten für Verkehrsflugzeuge übernommen.
Piloten des Juri Gagarin Jagdfliegergeschwaders der Nationalen Volksarmee in Einsatzausrüstung bei einer Lagebesprechung, 1970 DDR
Quelle: ©IMAGO /NBL
Das Gehalt eines Piloten lag mit 1200 Mark über dem Durchschnittseinkommen, welches Mitte der 1980er Jahre ca. 800-1000 Mark betrug. Bei Flügen ins NSW (nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet) wurden ein Teil des Gehalts und die Spesen in D-Mark oder Dollar ausgezahlt.
Zu den Inlandsverbindungen der Interflug Mitte der 1960er Jahre, gesellten sich schnell Flüge in die sozialistischen „Bruderstaaten“, nach Afrika und in den Nahen Osten. Politisch betrachtet war die Interflug samt Personal ein Aushängeschild der DDR in die Welt. Die Anerkennung der DDR durch immer mehr Länder machte es ab den 1960ern leicht, Charterflüge für westliche Kunden anzubieten. Es war ein lukratives Geschäft, das jede Menge Devisen, die Interflug jedoch an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit brachte. Mitte der 1980er Jahre gab es Charterverkehr zu rund 250 Flughäfen in mehr als 100 Ländern – auf allen Kontinenten außer Australien. Die Interflug beförderte pro Jahr rund 1,2 Mio. Fluggäste, davon mehrheitlich Bundesbürger, denn in der DDR konnten viele vom Fliegen sowieso nur träumen: Abgesehen davon, dass sie nicht in westliche Länder durften, kostete schon ein Ticket nach Budapest mindestens ein halbes Monatsgehalt.“
Kleiner Umtrunk im Cockpit einer IL-18 mit dem Flugkapitän der INTERFLUG Prof. Dr.-Ing. Rolf Heinig in Moskau, 1979
Quelle: © ddrbildarchiv.de/Lothar Willmann
1991, kurz nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten, wurde die Interflug durch die Treuhandanstalt liquidiert, da sie nicht von der Lufthansa AG oder einer anderen Fluggesellschaft übernommen werden durfte. Der letzte Flug von Wien nach Berlin-Schönefeld fand am 30. April 1991 statt. Etwa 1000 Mitarbeitende auch aus dem Technikbereich der Interflug wurden von der Lufthansa AG übernommen, viele Piloten fanden jedoch auch bei anderen Airlines neue Anstellungen z.B. bei AirBerlin oder den stark expandierenden arabischen und fernöstlichen Fluggesellschaften. Der ehemalige Flughafen Berlin-Schönefeld existiert heute als Terminal 5 des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER).
Passagierflugzeuge der Interflug und der Lufthansa auf dem Rollfeld des Flughafens Frankfurt am Main, 1989
Quelle: © IMAGO / Sven Simon
Im August 1978, während des Kalten Krieges, entführten die beiden Ost-Berliner Kellner Hans Tiede und Ingrid Ruske ein Flugzeug der polnischen Fluggesellschaft LOT auf einem Linienflug von Danzig (Polen) nach Berlin-Schönefeld (damals DDR) und zwangen die Besatzung zur Landung in Berlin-Tempelhof (damals West-Berlin). Ingrid R. hatte eine Beziehung mit dem in der DDR als Bauleiter arbeitenden Hamburger Horst Fischer. Da die beiden sich eine gemeinsame Zukunft in der DDR nicht vorstellen konnten, besorgte Horst F. gefälschte Papiere für seine Ostberliner Freundin. Der Plan mit den gefälschten Papieren scheiterte, weil Fischer, der die Papiere nach Danzig bringen sollte, vorher von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) festgenommen worden war. Vier Tage warteten Ruske und Tiede vergeblich. Daraufhin änderten sie kurzfristig ihre Fluchtpläne. Sie kauften auf einem Flohmarkt eine Spielzeugpistole und buchten einen Flug vom Danziger Flughafen zum Ost-Berliner Flughafen Schönefeld. Kurz vor der Landung nahm Tiede eine polnische Stewardess als Geisel und drohte, sie zu erschießen, falls das Flugzeug nicht in West-Berlin landen sollte. Der polnische Pilot landete daraufhin die Tupolew Tu-134 mit der Flugnummer LO 165 auf dem West-Berliner Flughafen Tempelhof. Eine US-Sondereinheit empfing die entführte Maschine und nahm Hans T. und Ingrid R. fest. Sie bekamen eine geringe Strafe von 9 Monaten.
Horst F. wurde in der DDR wegen Fluchthilfe und auch Menschenhandel zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und 1980 von der Bundesrepublik freigekauft.
Von den 62 Passagieren des Fluges waren 50 DDR-Bürger. Neben Hans und Ingrid blieben zwei Ehepaare, eines davon mit zwei Kindern, und eine weitere Person im Westen. Die anderen wurden, nachdem sie von den Amerikanern verhört worden waren, mit einem Bus in die DDR gebracht.
Die 1978 entführte Linienmaschine der polnischen Fluggesellschaft LOT auf dem Flug von Danzig in die DDR auf dem West-Berliner Flughafen Tempelhof, 1978
Quelle: ©Alliiertenmuseum / US Airforce.jpg
#1 Aelrun: Stadtrandkind