Die DDR war ein Land der Fotografie! Ob Profi oder Amateur – Alltagsfotografie war weit verbreitet. Die Arbeitsfelder und Spezialisierungsmöglichkeiten für einen Fotografen waren breit gefächert. Schließlich kann man fast alles fotografieren. Und egal für welche Richtung man sich entschied, der Beruf war immer in gewisser Weise eine Herausforderung. Als Sport- oder Pressefotograf oder im Dienstleistungssektor arbeitete man termingebunden, musste schnell auf den Beinen und mit wachem Kopf dabei sein, um nicht das Beste zu verpassen. Die Kommunikation war wichtig, das Einhalten der Abgabetermine für Abdrucke in Magazinen, Zeitschriften und Büchern–trotz langer Vorlaufzeiten – ebenfalls. Ein introvertierter Mensch wählte besser die Studio- und Produktfotografie. Hier konnte er stundenlang vor sich hin puzzeln, bis das optimale Bild erarbeitet war. Besondere Geduld erforderte die Landschafts- und Naturfotografie. Es galt, den richtigen Moment für den perfekten Schatten beim Architekturfoto oder für den aufsteigenden Nebel aus dem Unterholz zu erhaschen. Wer gern direkt mit Menschen arbeitete, der war gut in der Modefotografie aufgehoben. Und dann gab es neben alldem noch die historisch relevanteste Sparte: die Dokumentar- und Reportagefotografie. Hier entstanden viele Fotos vom Alltag, wie er tatsächlich war. Insbesondere diese Fotos helfen uns heute, das Leben in der DDR besser zu verstehen.
Das meditative und vorsichtige Schwenken der Filmdosen während der Filmentwicklung oder das Belichten und Entwickeln der Papierabzüge in der Dunkelkammer waren gleichsam „Ruhezeiten“ für die meist eigenständig arbeitenden Fotografen. Ganz allein mit sich und dem analogen Bild standen sie in der Dunkelheit. Diese Zeit machte übrigens die Hälfte der eigentlichen Arbeit eines Fotografen aus, denn die erste Digitalkamera kam erst 1990 auf den amerikanischen Markt, in dem Jahr der Wiedervereinigung von DDR und BRD.
„Wenn Ihr ein Foto aus der DDR seht, könnte es die Arbeit von Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Helga Paris, Roger Melis, Ute Mahler, Harald Hauswald, Evelyn Richter, Gundula Schulze Eldowey, Ursula Arnold, Günter Rössler, Thomas Billhardt, Christian Borchert, Werner Mahler, Jürgen Hohmuth, Bernd Heyden, Barbara Köppe, Peter Leske, Brigitte Voigt, Günter Bersch, Uwe Gerig, Herbert Hensky, Gabriele Senft, Horst Sturm und vielen weiteren sein. Diese Fotografen haben der DDR ihr eigentliches Gesicht gegeben.“
Nadja Klier, Fotografin, *1973
Fotograf war ein Facharbeiterberuf mit handwerklich-gestalterischem Charakter. Es war von Vorteil, wenn vor Ausbildungsbeginn bereits Kenntnisse der Fotografie in entsprechenden Arbeitsgemeinschaften oder Fotokursen erworben wurden, ein grundsätzliches Interesse für die Technik war Voraussetzung. Ebenso brauchte man eine gute Beobachtungsgabe, hohe Aufmerksamkeit, Konzentration, Reaktionsschnelligkeit, Ausdauer, Geduld und natürlich ein gutes ästhetisches Empfinden für Flächen, Form und Farbe. Ein intaktes Hör- und Sehvermögen, Farbtüchtigkeit sowie eine gute körperliche Konstitution waren notwendig. Mit einer fehlgebildeten Farbsinneswahrnehmung, bspw. mit einer Rot-Grün-Schwäche, war es nicht möglich, Fotograf zu werden.
Die Foto-Arbeitsgemeinschaft des bekannten Lehrers und Fotografen Manfred Beier (hier nicht im Bild). DDR, Berlin Lichtenberg, 1952.
Quelle: © Bundesarchiv
Das Handwerk eines Fotografen bestand aus immer gleichen Vorgängen. Er stellte fotografische Erzeugnisse in Schwarz-Weiß oder Color und in verschiedenen Bildformaten her. Von der Auftragsannahme bis zur fertigen Aufnahme blieb meist alles in einer Hand. Das Umsetzen der Bildideen verlangte manchmal Fotoapparate mit verschiedenen Negativformaten: Kleinbildfilme oder Mittelformate meist als Rollfilm. Diese wurden normalerweise mit der handelsüblichen Chemikalie A492 entwickelt. Danach wurde das Negativ in einen Vergrößerungsapparat gelegt und mithilfe von Licht ein positives Bild auf Papier geschrieben. Um das Bild sichtbar und haltbar zu machen, wurden auch hier verschiedene Chemikalien benötigt. Das fertige Positiv musste nun noch getrocknet werden. Das geschah meist mit einer Heißpresse. Danach konnte es weiterverarbeitet werden. Es wurde z.B. auf Tafeln aufgezogen, gerahmt oder für Reproanstalten bereitgestellt. Fotografen arbeiteten oft freiberuflich oder in genossenschaftlichen und privaten Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben, in der Werbe- und Anzeigenherstellung und Einrichtungen mit Fotoabteilungen sowie bei Presse, Film und Fernsehen. Im Unterschied zum handwerklichen Teil waren die Einsatzmöglichkeiten sehr vielfältig. Für ein gutes Motiv fuhr man mitunter stundenlang oder stand mitten in der Nacht auf und schlug sich durch unwegsames Gelände. Gelegentlich gestaltete sich der Umgang mit den zu fotografierenden Personen schwierig. Der Job konnte ein richtiges Abenteuer sein. Freiberufler waren freier in der Auswahl ihrer Aufträge. Sie konnten sich bspw. ein Mitspracherechterbitten, wenn entschieden werden musste, wie und wo das neue Titelbild einer Frauenzeitschrift fotografiert wird. Fest angestellten Fotografen wurde konkret vorgegeben, was sie zu fotografieren hatten, z.B. eine neue Maschine für einen Katalog oder die beste Brigade eines Betriebs für die Regionalzeitung. Foto- und Bildjournalisten begleiteten die zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Ereignisse, und waren am Puls der Zeit, hatten jedoch nicht das Entscheidungsrecht, welches Bild am Ende in der Zeitschrift gedruckt wurde. Die künstlerische Freiheit der Fotografen endete dort, wo die Darstellungen nicht den Vorstellungen der kommunistischen Partei SED entsprachen. Wenn sie systemkritisch waren oder als solches eingestuft wurden, durften die Fotografien nicht öffentlich gezeigt werden. Dann blieben nur Privatwohnungen mutiger Freunde und Bekannten oder kirchliche Räume, in denen Ausstellungen mit diesen Fotos organisiert wurden.
On the Road: Wenn der Trabi zur Umkleide wird. Eine Modeproduktion für die „Sibylle”, eine beliebte Frauenzeitschrift für Mode und Kultur. An der Autobahn bei Lehnitz, DDR, im April 1984.
Quelle: © Agentur Ostkreuz / Ute Mahler
Fotograf war ein Facharbeiterberuf. Die Ausbildung war in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Die theoretische Grundlagenbildung umfasste allgemeine und ausbildungsspezifische Fächer wie Mathematik, Chemie und Physik, Fototechnik, Fotochemie, Fotooptik, Geräte und Anlagen sowie Bildgestaltung. Im berufspraktischen Unterricht wurden Fähigkeiten in der Vorbereitung, dem Einsatz und der Bedienung der Fototechnik sowie der Umgang mit den fotografischen Materialien in Schwarzweiß und Color vermittelt. Dazu gehörte auch der Einsatz fotochemischer Entwickler und Unterweisungen in der Reproduktionstechnik. Weitere Schwerpunkte waren die Porträtfotografie, die Material- und Sachfotografie, der Erwerb von Kenntnissen im Umgang mit fotografischen Objekten, Aufnahmegeräten sowie Beleuchtungsgeräten und -anlagen. In einer Spezialisierung wurden dann unter Berücksichtigung der späteren beruflichen Einsatzgebiete Kenntnisse auf den Gebieten der Fotoreportage, Architektur- und Industriefotografie, Landschafts- und Tierfotografie, Nah- und Lupenfotografie sowie Fotomontagen und Sondertechniken vermittelt. Die letzten Monate der Ausbildung fanden bereits an dem jeweiligen späteren Arbeitsplatz statt. Ein Studium zum Diplom-Fotografen war ausschließlich an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig möglich. Sie war die einzige Ausbildungsstätte für Diplomfotografie in der DDR und legte, in Anknüpfung an sozialdemokratische Traditionen des 19. und 20. Jahrhunderts, einen Schwerpunkt auf Fotografien der Arbeitswelt und des Alltags. Die Leipziger Schule der Fotografie, zu deren Dozenten Arno Fischer und weitere gehörten, entwickelte eine eigene Formensprache, die den sozialistischen Alltag abseits der offiziellen Propaganda dokumentierte. Sie unterschied sich von der offiziellen Bildsprache der DDR, indem sie individuelle, oft kritische oder poetische Perspektiven auf das Leben zeigte. Diese Fotografen leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der sozialdokumentarischen Fotografie. Ihre Werke haben die ostdeutsche Fotografie-Geschichte geprägt. Bei entsprechenden Leistungen und Fähigkeiten war eine Weiterbildung zum Meister des Fotografenhandwerks möglich. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit einer fotografischen Ausbildung in militärischen Berufen, z.B. Berufsunteroffizier mit Meisterqualifikation oder Berufsoffizier mit Diplom beim militärtopografischen Dienst.
Auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958. Bildreporter von ADN-Zentralbild auf dem Marx-Engels-Platz in Ost-Berlin während der großen Kundgebung. V.l.n.r.: Rudi Ulmer, Walter Heilig und Hans-Günter Quaschinsky.
Quelle: © Bundesarchiv / Hein
Die sozialistische Welt in geeigneten Bildern festzuhalten, war der Regierung der DDR ein wichtiges Anliegen. Die DDR, wie sie gesehen werden sollte, war bunt, dynamisch und voll von ideologischer Poesie. Die Realität sah anders aus. Die Presse- und Medienlandschaft der DDR wurde staatlich kontrolliert und damit auch das Massenkommunikationsmittel Fotografie. Fotografen wurden häufig durch die Staatssicherheit überwacht. Die einzige Nachrichtenagentur, der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN) und dessen für den Bildjournalismus zuständiger Teilbereich Zentralbild (ADN-ZB) versorgten die gesamte Publizistik der DDR mit aktuellen Inlands- und Auslandsbildern sowie das Ausland mit Bildern aus der DDR. Sie standen vollständig unter staatlicher Kontrolle. Bei vielen Journalisten und Fotografen, die für ADN und ADN-Zentralbild arbeiteten, funktionierte deshalb die sogenannte „Schere im Kopf“, wie die (teilweise schon verinnerlichte) Selbstzensur der Fotografen und Journalisten oft bezeichnet wird, ziemlich gut. Fotos von unerwünschten „Erscheinungen“ wurden erst gar nicht gemacht oder nicht zur Freigabe vorgelegt. Zu hoch war das Risiko eines Knicks in der Karriere oder die Angst vor anderen drohenden Konsequenzen, wenn die Auswertung durch das Presseamt kein positives Ergebnis darstellte. Politisch zuverlässige Bildjournalisten durften zur Medienberichterstattung auch ins sogenannte NSA – ins Nichtsozialistische Ausland – reisen, z.B. zu Olympia oder zu Länderspielen und zu internationalen Kongressen. Für Fotografen, die Mitglied im Verband Bildender Künstler (VBK) waren, bestand auch die Möglichkeit, Studienreisen in westliche Länder zu beantragen. Die Genehmigungsprozedur war jedoch langwierig, und es bedurfte einer guten Portion Hartnäckigkeit, aber hin und wieder waren solche Bemühungen von Erfolg gekrönt. Allerdings fuhren die Fotografen dann ohne Auftrag und ohne Geld und mussten selbst sehen, wie sie über die Runden kamen. Die herrschende sozialistische Partei der DDR (die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED) forderte von den Fotografen Bilder, die Menschen darstellen, wie sie die sozialistische Gesellschaft in einem jungendynamischen Staat gestalten. Solche Fotos sollten über die Medien verbreitet werden. Den Fotografen wurde damit ein Propaganda- und Erziehungsauftrag erteilt, den sie nicht immer erfüllen konnten und wollten. Die Menschen waren nicht ständig fröhlich und optimistisch, sie waren auch schlecht gelaunt, müde und überarbeitet. Die Städte waren nicht bunt, sondern schmutziggrau und heruntergekommen – wie sollte man in dieser Lebensrealität pulsierendes Leben darstellen? Der Spagat zwischen ideologischem Auftrag und künstlerischer Umsetzung war teilweise enorm. Einige konnten diesen Spagat ausführen, andere wären vielleicht daran zerbrochen und suchten sich daher eine Nische, die nicht unpolitisch, aber weniger offensiv politisch war und mitunter kleine Freiräume für versteckte unangepasste Botschaften bot. Dieswar z.B. in der Mode-, Produkt- oder auch Aktfotografie möglich. Pornografie und Prostitution waren in der DDR gesetzlich verboten (§125 und §249), doch in einem aufgeklärten Land, in dem sich die „Arbeiter- und Bauernklasse“, sobald die Sonne rauskam, nackig an die zahlreichen FKK-Strände legte, hatte unschuldige Aktfotografie einen guten Stand. Die Zeitschrift „Das Magazin“ war mit einer Auflage von 500.000 Stück aufgrund ihrer monatlichen Serien mit Aktfotos in Sekundenschnelle ausverkauft. Abos für diese Zeitschrift wurden vererbt. Die geschmackvollen Fotos selbstbewusster junger Frauen hingen in gefühlt jedem dritten Spind in den Umkleiden der Betriebe. Kein Wunder, waren sie doch für so manchen Arbeiter das Highlight in seinem Drei-Schicht-System.
Nacktheit war im DDR-Alltag völlig normal. Spannend ist, dass dieses „Arbeitsfoto“ ein West-Fotograf geschossen hat. Ost-Berlin, Oktober 1972.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
Nach dem Zusammenbruch der DDR hing die Zukunft eines Fotografen in vielen Fällen davon ab, ob er eine feste Anstellung in einem Betrieb hatte, der aufgelöst wurde oder ob er seine Arbeit freiberuflich ausgeübt hatte. Für diejenigen, die neben einer Festanstellung bereits private Aufträge und gute Kontakte hatten, war es deutlich einfacher, Anschluss an die bundesdeutsche Fotoszene zu bekommen. Für andere endete die Laufbahn als Fotograf mit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. 1990 gründeten die Fotografinnen und Fotografen Werner Mahler, Jens Rötzsch, Sibylle Bergemann, Ute Mahler, Thomas Sandberg, Harf Zimmermann und Harald Hauswald die Fotografenagentur OSTKREUZ, der heute 25 Fotografen angehören. Thomas Sandberg und Werner Mahler gründeten 2004 eine Fotoschule, die Partner der Agentur ist. Zahlreiche Fotografen haben ihr Wissen als Lehrende an Fotoschulen weitergegeben. Einige tun das immer noch. Die Fotografin Ute Mahler z.B. lehrte von 2000 bis 2015 als Professorin für Fotografie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Die visuelle Sichtweise und die Bildsprache vieler Fotografen aus der ehemaligen DDR haben sich bis heute kaum verändert. Sie wurden nachhaltig durch die Gesellschaftsform der DDR geprägt.
Ein großer Fotograf seiner Zeit: Roger Melis fotografierte zu DDR-Zeiten erfolgreich Mode, Portraits, Landschaften und Leute. Seine Fotos wurden in Ost und West veröffentlicht. Wegen eines gemeinsamen Beitrags mit dem als Staatsfeindgeltenden Autor Erich Loest in der westdeutschen „Geo“ lehnte der Berliner Verlag es ab, ihn als Fotografen zu beschäftigen. Melis konzentrierte sich deshalb mehr auf Buch- und Ausstellungsprojekte. Nach der Wiedervereinigung lehrte er neben seiner Arbeit als Fotograf für mehr als 13 Jahre im Berliner Lette-Verein die Kunst der Reportage und der Portraitfotografie für Nachwuchsfotografen. Roger Melis hatte eine unglaubliche Beobachtungsgabe und ein absolutes Gespür für den fotografischen Moment. Hier wurde er von seiner ebenso erfolgreichen Kollegin Sibylle Bergemann fotografiert, 2006.
Quelle: Agentur Ostkreuz / Sibylle Bergemann
Parallelwelten Klaus Mehner
Wenn man ein „rundes“ Bild der DDR haben wollte, war es unmöglich, die Fotos des West-Berliner Fotografen Klaus Mehner zu ignorieren. Klaus Mehner wurde 1941 in Berlin-Wilmersdorf geboren und war einer der wichtigsten Chronisten des Kalten Kriegs. Er fotografierte – praktisch jeden Tag – in Ost und West. In West-Berlin porträtierte er demonstrierende Studenten, die freiwillig auf die Straße gingen. In Ost-Berlin lichtete er Studenten ab, die gezwungen wurden, am 1. Mai vorbereitete Transparente an der Tribüne mit Regierungsvertretern vorbeizutragen. Zwischen 1973 und 1989 arbeitete er fast durchgehend als Fotojournalist für den „Spiegel“ und war in der DDR als Reisekorrespondent akkreditiert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde auf Mehner aufmerksam, als dieser ein Foto vom eigentlich geheimen Hauptquartier des MfS aus dem Fenster eines gegenüberliegenden Hochhauses schoss, das in mehreren westlichen Zeitschriften mit seinem Namen darunter abgebildet wurde. Das MfS legte daraufhin einen sogenannten Operativen Vorgang (so nannte der Staatssicherheitsdienst die Vorgänge, in denen er Menschen mit vielfältigen Methoden überwachte und verfolgte) unter dem Decknamen „Wurm“ über ihn an und ließ ihn fast durchgängig überwachen. Trotzdem gelang es Mehner, weiterhin ungenehmigte Aufnahmen von Mülldeponien und Umweltschäden, von Regimekritikern oder vom Häftlingsfreikauf durch die Bundesrepublik zu machen. Nach seinem Tod überließ er der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mehr als 800.000 Fotonegative. Aus den vor allem in Hinblick auf das geteilte Berlin besonders interessanten Fotos Mehners entstand der Fotoband „Parallelwelten“. Klaus Mehner war ein besonderer Fotoreporter unserer Zeit.
Ein seltenes Bild: Selbstportrait von Klaus Mehner vor dem Hotel Elephant in Weimar, während eines Aufenthalts von Willy Brandt in der DDR. Weimar (Bezirk Erfurt), DDR, 1985.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
Modefotografie
Mode in der DDR war staatlich gesteuert und hatte immer auch eine politische Komponente. Modefotografie bewegte sich deshalb zwischen offizieller Inszenierung und subversiver Ästhetik. Während staatliche Modeaufnahmen oft nach strengem Reglement arrangiert wurden, experimentierten Fotografen wie Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute Mahler und Roger Melis abseits offizieller Vorgaben mit natürlichem Licht, ungewöhnlichen Kulissen und einer dokumentarischen Herangehensweise. Ihre Bilder wirkten oft roh, spontan und erzählerisch. Gruppen wie „Chic, Charmant & Dauerhaft“ inszenierten rebellische Mode, die in avantgardistischen Bildserien festgehalten wurde. Besonders das Mode-, Theater- und Performancenetzwerk „Allerleirauh“ (gegründet 1987 in Ost-Berlin) wurde zur Ikone alternativer Modeschöpfung. Die Fotografien dieser Kreationen zeigten nicht nur Kleidung, sondern ließen auch einen Drang nach Freiheit erkennen. Fotografie war nicht nur einfach Dokumentation, sondern gleichermaßen Ausdruck von Individualität und Widerstand.
Die Mode des alternativen Mode-Labels „Allerleirauh“ war Kult. Ebenso die Art und Weise wie diese Mode in Szene gesetzt wurde. Dieses Foto wurde für das westdeutsche Magazin „Stern“ gemacht. 1988 Ost-Berlin, Kostüm Angelika Kroker
Quelle: © Agentur Ostkreuz / Sibylle Bergemann
#1 Silke: Terror in den 1970ern Teil 1