Kindergärtnerin

Beschäftigte (M/W)

Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

36

Schulabschluss (Klassen)

10

Musikalität war ein wichtiges Kriterium bei der Ausbildung zur Kindergärtnerin. Schon im Kleinkindalter lernten Kinder neben Volks- und Kinderliedern auch Arbeiterlieder. 1986, DDR. Quelle: © Robert-Havemann-Gesellschaft / Gerhard Zwickert

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Programmierte Früherziehung   

Die Gewährleistung einer flächendeckenden Kinderbetreuung wird auch heute noch als einer der Vorzüge der DDR genannt.

Für viele Frauen bot die Unterbringung ihres Kindes in der Krippe, im Kindergarten und im Schulhort tatsächlich eine Chance, sich ausbilden zu lassen, berufstätig und damit familiär unabhängig zu sein. Krippen und Kindergärten hatten einen klaren Bildungsauftrag. Die Krippenerzieherinnen und Kindergärtnerinnen waren pädagogisch und fachlich gut ausgebildet. Allerdings gab es in allen Kindereinrichtungen einen gravierenden Mangel an geschultem Personal, da Ausbildungsplätze für Berufe im produktiven Bereich allzeit Vorrang hatten. Deshalb war die Anzahl der Kinder pro Erzieherin in der Regel zu groß (1984 hatte eine Erzieherin 11,7 Kinder zu betreuen) und die Räumlichkeiten für die meist großen Kindergruppen häufig zu klein.

Dieser Zustand sowie regelmäßige Früh-, Spät- und auch Nachtschichten in den zahlreichen Wochenkrippen und Wochenheimen zehrten am Nervenkostüm und verlangten von den Erzieherinnen, aber auch den Kindern eine hohe Belastbarkeit.  

„Das wichtigste Mittel in der DDR, um Kinder auf die sogenannte sozialistische Gesellschaft vorzubereiten, war das gelenkte Spiel.“  


aus dem Buch „Programmierte Früherziehung in der DDR“

Das Erlernen der Körperhygiene nahm in DDR-Kindergärten viel Raum ein. Kinder beim Händewaschen im 28. Kindergarten in Cottbus im März 1978, DDR. Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Als zukünftige Kindergärtnerin waren neben einem Zehnklassenabschluss Eigenschaften wie Pragmatismus, Ausdauer, Geduld, gute Umgangsformen sowie eine fehlerlose und deutliche Aussprache wichtig. Selbstverständlich sollten natürlich eine positive Einstellung zu Kindern und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden mitgebracht werden.

Da Krippenerzieherinnen und Kindergärtnerinnen oft Kinder auf dem Arm tragen, viel stehend und in gebückter Haltung arbeiten mussten, war eine körperlich gute Konstitution und vor allem ein stabiler Haltungsapparat Voraussetzung. Auch ein gesundes Herz-Kreislaufsystem war notwendig, um Stress, einen hohen Lärmpegel und das Schichtsystem aushalten zu können.

Jede Bewerberin brauchte ein Gesundheitszeugnis und es wurden bereits vor der Zulassung zum Fachschulstudium in der neunten Klasse der allgemeinbildenden Schule Zulassungstests auf körperliche und geistige Eignung durchgeführt, da man das Studium im Alter von 16 Jahren begann und mit 20 Jahren mit voller Verantwortung Kinder betreute.

Hier stimmt der Betreuungsschlüssel von sechs Kindern pro Erzieherin. Das war aber nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Kindergartengruppe beim Spaziergang in Leinefelde 1980, DDR.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Uwe Gerig
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Arbeitsfelder

Krippenerzieherinnen arbeiteten mit Säuglingen und Kleinkindern im Alter zwischen 6 Monaten und drei Jahren. Bevor in der DDR 1976 das sogenannte „Babyjahr“ eingeführt wurde, war es durchaus üblich, dass bereits Säuglinge in den Kinderkrippen betreut wurden. Das „Babyjahr“ erlaubte den Müttern ab der Geburt des zweiten Kindes ein bezahltes Jahr für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen zu können. Ab 1986 wurde dies auch ab der Geburt des ersten Kindes möglich, was die meisten Frauen auch nutzten. Kindergärtnerinnen wurden für die Erziehung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren ausgebildet. Die Ausbildung zur Kindergärtnerin unterschied sich zwar von der als Krippenerzieherin, aber wenn es notwendig war, konnten die Absolventinnen in allen Vorschuleinrichtungen eingesetzt werden. Neben den Kindergärten mit normalen Öffnungszeiten von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr abends gab es viele Einrichtungen, in denen die Kinder bis 20 Uhr blieben oder dort sogar übernachteten. Einige boten auch am Wochenende durchgehend Betreuung an.

Für Kinder mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen gab es sogenannte Sonderkindergärten. Manche davon unterstanden der evangelischen oder katholischen Kirche. Außerdem gab es viele Betriebskindergärten in der DDR.

Im Alltag waren die Kindergärtnerinnen damit beschäftigt, den Kindern je nach Alter und auf Grundlage eines auf den ideologischen Vorgaben der Staatspartei SED basierenden pädagogischen Programms, das die in bestimmten Lebensphasen zu erlernenden Fähigkeiten vorgab, selbstständig essen, an- und ausziehen, aufs Töpfchen gehen uvm. beizubringen. Körperpflege und Hygiene spielten dabei eine wichtige Rolle.

Des Weiteren waren tägliche Besuche auf Spielplätzen und Spaziergänge bei jedem Wetter sowie die musikalische Erziehung und die Förderung der geistigen Betätigung der Kinder wichtige Arbeitsaufgaben. Die Kindergärten organisierten daneben größere Ausflüge in Tierparks oder Schwimmbäder, aber auch zu Einrichtungen des Staates und des Militärs wie z.B. Kasernen der Nationalen Volksarmee, um die ideologische Bindung der Kinder an den Staat zu stärken.

Außerdem mussten viele Kindergärtnerinnen die Räumlichkeiten selbst putzen. Gekocht werden musste dagegen nicht. Das Essen wurde aus umliegenden Großküchen und Betrieben geliefert.

Betreute Dreiergruppe in der Krippe. Im Arbeiter- und Bauernstaat hatte die Sozialpolitik Vorzeigecharakter. Hier wurden behinderte Kinder in Dreiergruppen betreut. Angegliedert war eine Fördereinrichtung für Kinder, die schulbildungsunfähig sind. Lichtenhagen (Bezirk Rostock) 1986, DDR.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner  
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Die Auswahl und Schulung systemloyaler Fachkräfte waren dem Staat sehr wichtig. Aus diesem Grunde spielte die politische Einstellung zum DDR-Staat und zur marxistischen Ideologie für die Zulassung zum Fachschulstudium als Kindergärtnerin eine wichtige Rolle. Bewerberinnen, die nicht Mitglieder in den SED-Jugendorganisationen (Pioniere und FDJ) waren und / oder aus christlichen bzw. „systemfernen“ Elternhäusern kamen, durften den Beruf in der Regel nicht erlernen. Eine rigide Verknüpfung von Pädagogik und Politik kennzeichnete die einheitlichen Studienpläne mit Lern- und Praktikumsanleitungen für jedes Ausbildungsjahr und die Weiterbildungsunterlagen.

Das Fachschulstudium zur Kindergärtnerin dauerte drei Jahre und jeder der 15 Bezirke der DDR hatte mindestens eine eigene pädagogische Fachschule für die Ausbildung. Die Wochenstundenzahl der regulären Studiengänge lag bei 35 Stunden und war gefüllt mit Unterricht in Pädagogik, Psychologie, der Geschichte der Vorschulerziehung, Entwicklungsphysiologie, Sport und Methodik, Deutsche Sprache und Literatur, Musik- und Kunsterziehung sowie einem hohen Stundenanteil gesellschaftswissenschaftlicher Grundausbildung, vor allem Marxismus-Leninismus.

Als Kindergärtnerin musste man auch ein Instrument (meistens Gitarre oder Blockflöte) und Singen lernen. Weiterbilden konnte man sich zur Leiterin eines Kindergartens.  

VEB Kombinat Werkzeugmaschinenbau „Fritz Heckert“. Arbeiter montieren eine elektronische Steuerung. Karl-Marx-Stadt 1987, DDR.
Quelle: IMAGO / Harry Härtel  
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Die Unterbringung ihres Kindes in der Krippe, im Kindergarten und im Schulhort bot vielen Frauen die Chance voll berufstätig zu bleiben. So war das Arbeiten im Schichtsystem für alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern in der DDR möglich. Der Staat brauchte die weiblichen Arbeitskräfte dringend. Oft zwangen aber auch die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse die Mütter zum Geldverdienen.

Die ökonomischen Notwendigkeiten wurden in der Propaganda mit dem neuen Idealbild der sozialistischen Frau verbunden, die die volle Berufstätigkeit mit ihrer Rolle als Mutter vereinbaren kann. Frauen, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollten, gerieten zunehmend unter moralischen Druck. In DDR-weiten Kampagnen wurden nichterwerbstätige Mütter als rückschrittlich und verantwortungslos dargestellt, da sie ihre Arbeitskraft nicht dem Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung widmeten.

1945 wurde in allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone mit der Entwicklung eines antifaschistischen Erziehungssystems und der Installation entsprechender Einrichtungen begonnen. Kindergärten wurden als Institutionen der Vorschulerziehung in das Bildungssystem integriert. Damit wurde der Weg für einen zentralisierten, politisch gelenkten Zugriff auf die Erziehungsarbeit in den Kindergärten geebnet. Die Kinderkrippen unterstanden dem Ministerium für Gesundheit, die Kindergärten dem Ministerium für Volksbildung. 1989 arbeiteten 71.951 Erzieherinnen in 13.452 Vorschuleinrichtungen und 1990 waren dort 747.140 (über 90%) der drei- bis sechsjährigen Kinder untergebracht. Davon 86 % in kommunalen, 11% in betrieblichen und nur 3 % in christlichen Einrichtungen.

Das Gehalt einer Kindergärtnerin lag 1981 bei 910 Mark und entsprach damit dem Durchschnittseinkommen eines DDR-Werktätigen. Zulagen gab es für Schichtdienst und als Leiterin eines Kindergartens verdiente man 200 Mark mehr.

Die Werte, mit denen Kinder im christlichen Kindergarten erzogen wurden, waren andere als in den staatlichen Einrichtungen. Statt Panzer sind Alltagssituationen auf den von Kindern gemalten Bildern im Kindergarten Zionskirche zu finden. 1988, Berlin-Prenzlauer Berg, DDR.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
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Transformation

Die Gewährleistung einer flächendeckenden Kinderbetreuung wird auch heute noch als einer der Vorzüge der DDR genannt. Der klare Bildungsauftrag, den Krippen und Kindergärten in der DDR hatten, kam in detaillierten Erziehungsplänen zum Ausdruck, in denen die Lernziele schon für die Kleinsten genau festgelegt waren. Besonderer Wert wurde dabei von Anfang an auf die naturwissenschaftliche Bildung gelegt. Das war in der Bundesrepublik anders. Dort war man der Auffassung, dass Kinder sich eher im freien, nicht gelenkten Spiel entfalten sollten. Erst seit den 2000er Jahren hat sich auch in der Bundesrepublik die Meinung verfestigt, dass durch eine gute frühkindliche und Vorschulbildung in den Kindergärten ungleich verteilte Bildungschancen und soziale Ungleichheiten ausgeglichen werden können.

Diese Unterschiede machten den nach der Wiedervereinigung vor allem durch die Schließung der weit verbreiteten Betriebskindergärten von Arbeitslosigkeit betroffenen Kindergärtnerinnen die Integration in den westdeutschen Erzieherinnenberuf oft schwer. Mittlerweile werden auch in der Bundesrepublik Kinderkrippen eingerichtet und Kindergärten zunehmend als Institutionen frühkindlicher Bildung betrachtet. Entsprechend wurde die Ausbildung der Erzieherinnen angepasst und die beschriebenen Unterschiede spielen eine immer geringere Rolle.

Sechs bis acht Kinder passten in den Krippenwagen für den Spaziergang mit den Kleinsten, o.J., DDR.
Quelle: © DDR Museum  
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Extra 1

Wochenkrippen

Da für den Wiederaufbau der Wirtschaft in der DDR dringend Arbeitskräfte gebraucht wurden, schuf man schon in den frühen 1950er Jahren Wochenkrippen und Wochenheime für die Betreuung der Kinder. Manche Kinder sahen ihre Eltern oder die Mutter nur an einem oder zwei Tagen am Wochenende. Diese Einrichtungen hatten besonders in den 1960er und 1970er Jahren Hochsaison. Viele Kinder wurden schon im zarten Alter von 6 Wochen für viele Stunden in die Krippen gebracht. Häufig waren sie unausgeglichen, aßen und tranken schlecht, weinten viel und wiesen Entwicklungsverzögerungen auf. Für die emotionale Stabilität und die seelische Entwicklung der Kinder war diese Art der Unterbringung sehr nachteilig und aus heutiger Sicht ist so etwas einfach unvorstellbar.  

Eine Wochenkrippe nahe Rothenburg. Bis zu sechs Tagen hintereinander blieben hier die Kleinen, wenn die Eltern arbeiteten. Erzieherin Maria-Elisabeth B. legt Mädchen und Jungen zum Schlafen. 1984, Kreis Niesky, DDR.
Quelle: IMAGO / Sächsische Zeitung   
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Extra 2

Die DDR war auf eine zuverlässig gesunde Bevölkerung angewiesen. Da war es organisatorisch einfacher, dass Kinderärzte und Zahnärzte, aber auch Psychologen in die Einrichtungen der Kinderbetreuung kamen. Halbjährlich kam der Zahnarzt, aber auch Jugendärzte (spezialisiert auf schulische und Vorschuleinrichtungen) verschafften sich so einen Überblick über die Entwicklung und das Wachstum der Kinder. Dieses System wurde auch zur Vorauswahl für den Leistungssport benutzt. (Checkt unser Erklärvideo Leistungssport.)

Was für Schulen galt, wurde auch für Kindergärten als gut erachtet: Die Ärzte kamen zu regelmäßigen Visiten und Gruppenuntersuchungen in die Einrichtungen. Das sparte Zeit und war effizienter für die Statistik.
Quelle: © Deutsche Fotothek / Gerhard Weber
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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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