Modegestalter

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

60

Schulabschluss (Klassen)

12

Die Sehnsucht und die Souveränität einer jungen Frau vereinen sich in diesem Foto. Mannequin Julia in Teilen einer Kollektion vom Modeinstitut der DDR, fotografiert für die Zeitschrift „Sibylle“, 1980 in Brandenburg, DDR. Foto: © Agentur Ostkreuz / Ute Mahler

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Designer hieß man nur im Westen   

Modegestalter waren sehr gut ausgebildete Fachleute, die in den meisten Fällen nach einer abgeschlossenen Lehre im Textilbereich an einer Kunsthochschule oder an einer Ingenieursschule für Bekleidungstechnik studiert hatten. Sie arbeiteten im Team unter der einzigen zugelassenen Firmierung Modeinstitut, denn in der DDR traten die Designer, die Kollektionen für die Bekleidungsindustrie der DDR entwarfen, nicht als Einzelpersonen hervor. Leider wichen die in den Läden verkauften Kleidungsstücke von den international durchaus wettbewerbsfähigen Ursprungsentwürfen fast immer ab. Es mangelte in den herstellenden Betrieben entweder am richtigen Stoff, an aktuellen Mustern oder an anderen für die Fertigstellung benötigten Materialien. Häufig waren diese Kleidungsstücke Ladenhüter, da sich vor allem Jugendliche stark an westlichen Modetrends orientierten und sich der staatlich hergestellten und als langweilig empfundenen Mode verweigerten. Trotzdem waren die Entwürfe beliebt. Sie wurden in der prominentesten, vom Modeinstitut herausgegebenen Frauenzeitschrift der DDR, der „Sibylle“, inklusive Schnittmuster veröffentlicht und von vielen Menschen nachgenäht. Der Traum von der Kreativität in Stoff wurde in den seltenen Momenten wahr, wenn einzelne Teile der halbjährlichen Kollektionen in limitierter Edition mit sehr hochwertigen Materialien aus dem Ausland für den „VHB Exquisit“ (dem einzigen Produzenten von Luxusmode in der DDR) hergestellt wurden. Man stand Schlange etwa für ein Kleid aus französischer Seide, das ungefähr ein Monatsgehalt kostete.  

Noch 1978 wurde im „Kulturpolitischen Wörterbuch der DDR“ die Mode im Kapitalismus als „Ausdruck eines perfekt manipulierten Massenkonsums“ bezeichnet.   


aus „Kulturpolitisches Wörterbuch“ von M. Berger

Diese Mode könnte man auch heute tragen. Kollektion für den VHB Exquisit. Fotografiert 1980, DDR. Erschienen in: Roger Melis. Modefotografie, hrsg. von Volker Braun und Ulrike Vogt, Leipzig 2022. Foto: © Roger Melis Nachlass

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Für viele junge Menschen war Modegestaltung ein absoluter Traumberuf. Dementsprechend viele Bewerbungen gab es für diesen Beruf, bei dem es Studienplätze nur nach Bedarf gab. Das Studium der Modegestaltung war als Fachschul- und als Hochschulstudium möglich. Ein Fachschulstudium konnte man nach dem Abschluss der 10. Klasse beginnen. Für die Kunsthochschule brauchte man das Abitur und außerdem eine abgeschlossene Berufsausbildung als Industrieschneider, im Schneiderhandwerk oder in der Trikotagen-Industrie. Neben den entsprechenden körperlichen Voraussetzungen wie Farbtauglichkeit und gesunden Gliedmaßen im oberen Körperbereich sollte man eine überdurchschnittliche künstlerische Begabung mitbringen. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens musste man ca. 20 eigene künstlerische Arbeiten einreichen und wurde dann nach fachlicher Beurteilung dieser Arbeiten zu einer mehrtägigen Eignungsprüfung eingeladen. Nur in Ausnahmefällen wurden besonders talentierte Bewerber ohne Abitur angenommen. Diese mussten ihre Hochschulreife parallel an der Volkshochschule (VHS) nachholen.    

In einer Arbeitsgemeinschaft im Pionierhaus Prenzlauer Berg wurde Kleidung von Jugendlichen individuell geschneidert. Die Sachen wurden an passenden Orten in Prenzlauer Berg fotografiert, 1987, Ost-Berlin, DDR.
Quelle: © Robert-Havemann-Gesellschaft / Volker Döring      
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Arbeitsfelder

Als Diplom-Modegestalter konnte man entweder in der Bekleidungsindustrie oder in den Forschungs- und Entwicklungszentren der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VBB) Konfektion, Trikotagen, Schuhe und Lederwaren arbeiten und erschuf dort Entwürfe. Nach Abschluss des Hochschulstudiums und besonders guter Leistungen hatte man die Chance, einen Arbeitsplatz als Gestalter beim Modeinstitut der DDR zu bekommen. Andere Arbeitsmöglichkeiten gab es im Amt für Standardisierung, in der Material- und Warenprüfung, in wissenschaftlich-technischen Zentren sowie in Moderedaktionen oder im Handel. Trotz der umfangreichen kreativen Ausbildung waren dem Einfallsreichtum der Modegestalter vor allem aufgrund ökonomischer Zwänge im Arbeitsalltag oft Grenzen gesetzt. Mehr Gestaltungsspielraum bot die Arbeit als Kostümbildner beim Film, beim Fernsehen und im Theater, dort gab es mehr Freiraum für die Umsetzung von Ideen.    

Endkontrolle zum Schnitt im VEB Berliner Damenmoden in Berlin-Friedrichshain, 1982, DDR.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung / Peter Leske    
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Modegestaltung konnte in der DDR an zwei Standorten studiert werden. Zum einen gab es seit 1974 ein dreijähriges Fachschulstudium der Bekleidungsgestaltung an der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg. Die Absolventen arbeiteten zumeist in der Industrie und im Kunstgewerbe, nur sehr wenige waren freiberuflich tätig. Dieser Abschluss berechtigte auch zur Aufnahme eines Hochschulstudiums. Zum anderen konnte man das Fach Modegestaltung an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studieren, das nach fünfjährigem Studium mit einem Abschluss als Diplom-Modegestalter beendet wurde. In der Kunsthochschule Weißensee bestand das Grundlagenstudium in der Vermittlung spezifischer Grundlagen und Erkenntnisse im Naturstudium, im grafischen, farbigen, plastischen und materialgerechten Gestalten, in der Schriftgestaltung und Fotografie. Im darauf aufbauenden Fachvertiefungsstudium wurden Bekleidungsgestaltung, Schuh- und Lederwarengestaltung, Modekommunikation in Presse, Film und Fernsehen, Kostüm- und Modegeschichte, Modetheorie, Rohstoff- und Warenkunde, Verarbeitungstechnologie, Anatomie, Typografie und Layout, Mode-, Druck- und Fotografik, aber auch Marxismus-Leninismus und politische Ökonomie unterrichtet. Weiterbilden konnte man sich in der Praxis, wenn man z.B. wie die Gestalterin Ute Lindner vom Kulturministerium der DDR als Meisterschülerin zu einem Austausch nach Paris geschickt wurde, was tatsächlich aber eher eine Ausnahme war als die Regel. Oder man wurde für die Qualitätsmarke „Exquisit“ ausgewählt – das war der Karriereschritt! Hier musste man sich nicht mehr so sehr mit den Widerständen der Bekleidungsindustrie auseinandersetzen. Eine Karriere als Designer, wie man sie heute in der Modebranche kennt, war in der DDR nicht möglich.

Bildunterschrift: Modegestalter des VHB Exquisit sprechen über ihre Kollektion, 1983 Ost-Berlin, DDR.
Quelle: © Roger Melis Nachlass  
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Mode war ein Dauerthema, auch wenn gute Mode in den Geschäften der DDR kaum zu finden war. Das Problem war die staatliche Planwirtschaft und der beständige Rohstoffmangel. Der „Modebedarf“ war schwierig Jahre im Voraus zu planen. Wenn das geplante, entworfene und genehmigte Kleidungsstück endlich in den Jugendmodeläden hing, war der Trend oftmals schon längst vorbei. Den Rohstoffmangel versuchte die DDR auf verschiedene Art und Weise zu kompensieren. Damit nicht so viel Baumwolle importiert werden musste, wurden Stoffe aus Chemiefasern entworfen, wie beispielsweise aus der Polyamidfaser Dederon (eine Wortschöpfung aus „DDR“ und der Endung „on“) oder „Präsent 20“, ein Stoff, der zum 20jährigen Bestehen der DDR entwickelt wurde und den man nicht bügeln musste. Man wollte die Werktätigen bei der Hausarbeit entlasten und übersah dabei, dass Chemie sich auf der Haut nach 10 Stunden Arbeit weder gut anfühlt noch gut riecht. Jeans zum Beispiel waren mehr als zwei Jahrzehnte lang als das Beinkleid des Klassenfeindes verpönt, wurden von der Regierung geächtet und vom Volk geliebt. Als gefühlt jeder vierte Jugendliche mit einer, von der Oma aus dem Westen mitgebrachten Levis, Wrangler oder Lee auf der Straße herumlief, gestattete der Staat gezwungenermaßen eine eigene Jeanslinie mit Marken wie Boxer, Shanti und Wisent, um der Anpassung an den „Klassenfeind“ entgegenzutreten. Aber diese Hosen konnten die Originale aus den USA nicht toppen, sie saßen nicht so gut, waren kratzig, aus zu dickem Stoff und zudem noch teuer.

Das Fernsehen zeigte dutzende Modesendungen, Modenschauen wurden auf Bezirksfesten in allen Städten aufgeführt und es gab Arbeitsgemeinschaften in Jugendzentren, die sich mit der Herstellung von Kleidung beschäftigten. Beinahe jeder Haushalt hatte eine Nähmaschine und Sommerkleider wurden eben aus bedruckten, mit Omas Spitze verzierten oder gebatikten Bettlaken genäht, die in der DDR permanent ausverkauft waren. Die DDR – in fast jeder Hinsicht ein Do-it-yourself-Staat – war diesbezüglich auch in Sachen Mode weit vorn. Findige und kreative Gruppen nähten und bedruckten bspw. T-Shirts (das DDR-Wort dafür hieß „Nicki“) und verkauften diese auf Wochenmärkten und in Urlaubsorten. Ihnen wurde die Ware buchstäblich aus den Händen gerissen: alles war besser als der öde Einheitsbrei in den Geschäften. Anfang der 1980er Jahre entstand vor allem in den größeren Städten ein halblegaler Modemarkt, der eine Alternative zum Angebot in den Bekleidungsgeschäften der DDR bot.

Die DDR duldete diese Grauzone, da dem Staat bewusst war, dass er für das modische Defizit im Land verantwortlich war.

Und dann gab es noch den berühmten „Exquisit“. Der Volkseigene Handelsbetrieb „Exquisit“ wurde 1970 explizit zur Entwicklung und zum Verkauf von Bekleidung aus hochwertigen Stoffen und modernem Design gegründet. Dazu konnte er über Devisen zum Import von Stoffen, Maschinen und sogar Ladeneinrichtungen verfügen. In „Exquisit“-Läden fand man vom Modeinstitut entwickelte hochwertige Mode mit attraktiven Schnitten, allerdings zu hohen Preisen und in geringer Stückzahl. Nur wenige konnten sich eine Hose für 240 Mark leisten, wenn das durchschnittliche Einkommen Mitte der 1980er Jahre bei ca. 1000 Mark lag. 80% dieser Qualitätskollektionen wurden ins Ausland verkauft. Auf diese Weise erwirtschaftete sich der Staat dringend benötigte Devisen.

Im Prinzip existierten in der DDR drei Arten von Mode: die in den staatlichen Betrieben aus billigen Stoffen hergestellte und schlecht verkäufliche Kleidung, vom VHB „Exquisit“ hochwertig produzierte, sehr teure Mode, die es selten gab und die selbst hergestellten Outfits, weil die Menschen aus Mangel erfinderisch wurden.

In den 1980er Jahren nahm die Zahl verschiedener Jugendkulturen deutlich zu. Dem Staat waren sie ein Dorn im Auge, trotzdem inspirierten diese Trends auch die Kollektionen des Modeinstituts der DDR. Einerseits ließ die DDR-Regierung diese westlichen Einflüsse in der staatlichen Mode zu. Auf der anderen Seite wurden diese Jugendgruppen selbst (Punks, Gothics etc.) verfolgt und schikaniert. Das war einer der vielen Widersprüche in diesem Land.

Frauenbrigade „Jenny Marx“ im VEB Berliner Damenmoden in Berlin-Friedrichshain, 1982, DDR.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung / Peter Leske       
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Transformation

Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten fiel auch die Modebranche der DDR in ein tiefes Loch und es dauerte, bis man auch hier gelernt hatte, sich an den neuen Gesellschaftsverhältnissen zu orientieren.

Als erstes wurde 1990 das Modeinstitut der DDR abgewickelt. Viele Menschen wurden arbeitslos und blieben es: denn was man in der DDR nirgendwo gelernt hatte, war, sich im Wettbewerb zu behaupten. Sein Talent zu verkaufen und sich selbst zu vermarkten, das konnten die wenigsten. Nun war Mode frei käuflich und deshalb gab es in der Bevölkerung auch keine Nachfrage mehr nach Mode „Made in GDR“, auch nicht nach alternativer und selbst hergestellter Kleidung. Der Verkauf auf Märkten fiel weitgehend weg. Einige wenige Modegestalter schafften den Sprung in die Selbstständigkeit oder den Schritt in große westdeutsche Modeunternehmen, welche die Werke und Anlagen der Bekleidungsindustrie der DDR über die Treuhand unfassbar günstig aufkauften. Gute Modefotografen wurden weiterhin gebucht, denn das Problem war ja nie die Bildsprache, es lag an der Bekleidung.  

Für das Styling standen die 1950er Jahre Pate. Julia und Frieda 1984 in Ost-Berlin, DDR.
Quelle: © Agentur Ostkreuz / Sibylle Bergemann    
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Extra 1

OFF MODE in der DDR

Die Sehnsucht nach alternativer und vor allem individueller Bekleidung war besonders in der jungen Bevölkerung so groß, dass sich Anfang der 1980er Jahre quer durch die ganze DDR Kollektive kreativer Modemacher, Mannequins und modeinteressierter Menschen entwickelten, die ihre selbst hergestellten Kreationen in verrückten Perfomances dem begeisterten Publikum vorstellten. Diese alternative Modeszene benutzte Mode und Performance gleichermaßen als Ventil gegen die verkrusteten Strukturen des Staats, in dem sie leben mussten. Die erste große Gruppe war „chic, charmant und dauerhaft“ (ccd). Bei ihren Shows sah man grüne Haare, nackte Haut oder knisternde Folien. Vernäht wurde alles, was zu beschaffen war -–von Plastiktüten aus Kliniken bis zu Bettwäsche, denn Stoffe am laufenden Meter waren schwer zu bekommen. Die Mangelwirtschaft befeuerte ihre Kreativität zur Verwendung von ungewöhnlichen Materialien für ihre Kreationen. Aus ccd entwickelte sich die berühmteste Gruppe, über die auch in der Bundesrepublik berichtet wurde: „Allerleirauh“. Deren Schöpfungen wie Schuppenmäntel und Igelkappen waren düster und futuristisch, das Material bestand aus Leder, Nieten, Nägeln und Federn. Ihre Show „Das Ding aus Licht, Klang, Raum und Leder“ im Jahr 1988 im Haus der Jungen Talente in Berlin war ein echtes Happening. Es gab insgesamt fast 300 Gruppen mit klingenden Namen wie „Stattgespräch“, „Omelette Surprise“, „Larifari“, „Anstandslos“ oder „Barfuß“, „Samt und Seide“.   

Kathi im Schuppenmantel der Designergruppe „Allerleirauh“, ein Kostüm von Angelika Kroker, 1988 in Ost-Berlin, DDR.
Quelle: © Agentur Ostkreuz / Sibylle Bergemann     
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Extra 2

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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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