Schauspieler war ein Traumberuf für viele junge Männer und Frauen. Er erforderte ein hohes Maß an Leidenschaft, denn er verlangte den Menschen viel ab.
Die Ausbildung begann für Männer erst nach der obligatorischen Zeit bei der Nationalen Volksarmee (NVA).
Zum Beruf gehörten wochenlange kräftezehrende Probenphasen vor den Vorstellungen und zahlreiche Tourneen in andere Städte, wenn die Stücke aufführungsreif waren. Für junge Frauen, häufig schon mit kleinen Kindern und oft alleinerziehend, war die Arbeit vor allem am Theater eine besondere Belastung, da die meisten Vorstellungen abends gespielt wurden.
Durch die Berufslenkung führten Schauspieler teilweise ein Nomadenleben, weil sie für jedes neue Engagement an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden konnten. Berühmte Schauspieler wurden häufig auf der Straße angesprochen, weil sie gerade im Fernsehen gesehen wurden, und um ein Autogramm gebeten. Aufgrund dieser besonderen Umstände waren Partnerschaften unter Schauspielern oder mit Regisseuren häufiger als in anderen Berufen. Die intensive Zusammenarbeit, die ungewöhnlichen Arbeitszeiten und Lebensbedingungen brachten auch Stress. Trotzdem hätte kein Schauspieler gesagt, dass er oder sie lieber einen anderen Beruf ergriffen hätte.
Die meisten wollten schon Schauspieler werden, als sie noch Kinder waren. Ihr Talent war bereits früh sichtbar. Und anders als beim Leistungssport gab es keine Talentscouts, die an Schulen auf Talentsuche gingen. Die Begabten fanden von allein in die Schauspielschulen des Landes.
„Die Ausbildung war wirklich hart. Wir haben um acht Uhr morgens angefangen und wenn du abends um acht zu Hause warst, dann hast du den nächsten Tag vorbereitet und das war wirklich viel. Am Samstag gab es natürlich auch Unterricht und wir haben wahnsinnig viel Theorie-Scheiß gehabt. Wir hatten Russisch, politische Ökonomie, Kulturpolitik, Ethik – also lauter so Zeug, wo du dachtest, so hm… Aber man wollte halt einen politisch gebildeten Schauspieler aus dieser Schule entlassen.“
Katharina Palm, Schauspielerin & Synchronregisseurin über ihre Studienzeit an der Hochschule für Schauspiel „Ernst Busch“ 1980-1983
Ähnlich wie bei den kreativen Berufen Musiker oder Artist war das Talent wichtiger als das Schulzeugnis. Neben den besonderen künstlerischen Begabungen und Fähigkeiten war aber trotzdem der Abschluss der zehnten Klasse gefordert. Körperlich waren ein gesunder Bewegungsapparat sowie ein gut ausgeprägtes Seh- und Hörverständnis Voraussetzung. Die Bewerber sollten mindestens 18 und höchstens 28 Jahre alt sein und mussten für die Zulassung zur Eignungsprüfung ein phonetisches Gutachten vorlegen. Männliche Bewerber sollten zudem den Wehrdienst bereits geleistet haben. Hinsichtlich des Alters gab es Ausnahmen. In einigen Fällen wurden junge Frauen schon im Alter von 16 Jahren aufgenommen. Ausländische Bewerber mussten die deutsche Sprache beherrschen.
Talent für Schauspiel zeigte sich schon bei den Jüngsten in Form von Neugier, Aufmerksamkeit und Kooperation. Häufig besetzen Regisseure Kinderrollen mit Kindern von Kollegen oder Schauspielern, da diese die Produktionsabläufe kannten und meistens keine Angst vor den Gegebenheiten am Set oder auf der Bühne hatten. Hier Katharina Palm auf dem Schoß von Ursula Karusseit in ihrer allerersten Rolle in „Wege übers Land“, Deutscher Fernsehfunk, 1968.
Quelle: © DDR - Fernsehen
Die drei wichtigsten Arbeitsfelder eines Schauspielers in der DDR waren die 65 Theater und 140 Spielstätten in 45 Städten des Landes, die beiden staatlich gelenkten Fernsehsender DDR 1 und DDR 2 mit ihrer Filmproduktion sowie die Deutsche Film AG (DEFA), die einzige staatliche Kinofilmproduktion. Theaterschauspieler hatten meist Verträge in den sogenannten Mehrspartenhäusern. In diesen Häusern waren Oper, Schauspiel und Puppentheater oder Konzertsaal unter einem Dach untergebracht. Beim Fernsehen wurden die Rollen für bestimmte Spielfilmproduktionen mit freischaffenden Schauspielern besetzt. In den über 80 Serienproduktionen mit historischen oder zeitgenössischen Stoffen, wie bspw. „Polizeiruf 110“ oder „Der Staatsanwalt hat das Wort“, gab es aber auch die Möglichkeit, fest angestellt zu werden.
Bei der DEFA gab es nur wenige Schauspieler mit einer Festanstellung. Die meisten arbeiteten ebenfalls freischaffend und wurden je nach Projekt ausgewählt und besetzt.
Nicht nur in den zahlreichen DEFA „Indianer“-Filmen, sondern auch live im Stadion der Weltjugend: Der Schauspieler Gojko Mitić stammte aus Jugoslawien und war in der DDR sehr beliebt. Er sprach fließend Deutsch, jedoch mit Akzent und wurde deshalb synchronisiert. 1989, Ost- Berlin, DDR.
Quelle: Agentur Ostkreuz© Harald Hauswald
Über die Aufnahme zum Studium entschied seit Beginn der 1980er Jahre eine Zulassungskommission auf der Grundlage einer Eignungsprüfung, die aus zwei Teilen bestand: dem Eignungstest und der Zugangsprüfung. In der Zulassungskommission waren Professoren, Dozenten, Hochschulassistenten, künstlerische und wissenschaftliche Mitarbeiter vertreten. Für den Eignungstest mussten zwei bis drei gegensätzliche Rollenausschnitte – meist ein klassisches und ein nichtklassisches Werk – von ca. 4-5 Minuten einstudiert sowie ein Lied und ein Gedicht, eine Ballade oder ein Prosatext vorbereitet werden. Die Bewerber mussten hier noch nicht vor der gesamten Zulassungskommission, sondern jeweils nur vor zwei von deren Mitgliedern vorspielen. Diese kleine Kommission beriet im Anschluss an das Vorspiel, ob das Talent ausreichend sei und der Bewerber zur Zugangsprüfung zugelassen wird. Nach bestandenem Eignungstest musste vor der gesamten Prüfungskommission vorgespielt werden. Zusätzlich wurden körperliche Eignung und das Stimmvolumen überprüft. Schauspielbewerber, die jünger als 18 Jahre waren, bekamen zur Vorbereitung auf die Prüfung einen Dozenten der Schule als Mentor an die Seite gestellt. An den Schauspielschulen war man sehr kritisch. Schauspielerischer Instinkt, bildhaftes, sinnliches Denken, eine ausgeprägte Vorstellungskraft, die Fähigkeit, sich längere Texte nicht nur zu merken, sondern sich zu eigen zu machen – das alles wurde bei der Eignungsprüfung von den Bewerbern erwartet. Es sollte in Ansätzen vorhanden sein und während der Ausbildung verfeinert und erweitert werden.
Schauspiel konnte man an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig, an der Hochschule „Ernst Busch“ in Ost-Berlin oder an der Staatlichen Schauspielschule Rostock studieren. In Leipzig absolvierten die Schauspielstudenten ein zweijähriges Studium an der Hochschule und im Anschluss daran ein Praxisjahr in einem Studio oder einem Theater.
Bis zum Ende der 1970er Jahre betrug die Ausbildungsdauer an der Fachschule für Schauspiel in Ost-Berlin drei Jahre. 1981 wurde diese Ausbildungsstätte zur Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ transformiert und damit die Studienzeit auf vier Jahre erhöht. Zu den praktischen Unterrichtsfächern gehörte dort ein Grundlagenseminar im ersten Semester, in dem den Studierenden die Grundlagen der Schauspielkunst vermittelt wurden. Des Weiteren wurden Szenenstudium, körperausbildende Fächer wie Akrobatik, Bühnenfechten, Pantomime, Tanz sowie Sprecherziehung, Gesangsunterricht und Körperstimmtraining unterrichtet. Zu den theoretischen Fächern zählten Schauspieltheorie, Theaterwissenschaft, Kultur- und Kunstgeschichte, Russisch und jene ideologisch geprägten Fächer wie Sozialphilosophie, sozialistische Ökonomie, Marxismus-Leninismus, die an allen Hochschulen und Universitäten unterrichtet werden mussten. Laut der staatlichen Vorgaben war der Erziehung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ eine ebenso große Bedeutung beizumessen wie der Ausbildung der schauspielerischen Fähigkeiten. Aber besonders in den 1980er Jahren fand die Leitung der Hochschule Wege, diese Vorgaben etwas aufzuweichen und der künstlerischen Schulung mehr Raum zu geben.
Die individuelle Betreuung der Studierenden war sehr gut. Jeder Jahrgang wurde von zwei Mentoren betreut. Das Betreuungsverhältnis zwischen Mitarbeitern und Studenten an den Schauspielschulen in der DDR lag bei 1:4, in der Bundesrepublik Deutschland hingegen bei 1:20. Bis 1983 wurden die einzelnen Jahrgänge der Berliner Schauspielschule auf einen mehrwöchigen Ernteeinsatz im Umland von Berlin geschickt, um sich neben einer politischen „Rotlichtbestrahlung“ auch schnell kennenzulernen und zu einer homogenen Gruppe zu formieren – eine besondere Form des Teambuildings (auch wenn dieser Begriff damals noch nicht aktuell war).
Nach erfolgreich beendetem Studium wurden die Absolventen an die verschiedenen Bühnen des Landes vermittelt und mussten dort den Intendanten vorspielen. Danach wurde über ihre Einstellung entschieden. Sie konnten sich ihren Arbeitsplatz also nicht selbst aussuchen. Manche Schauspieler hatten mehrere Angebote. Man blieb in der Regel drei Jahre in seinem ersten Engagement.
Beim Fernsehen der DDR war eine Festanstellung die Ausnahme. Die meisten Rollen übernahmen Theaterschauspieler als extra Job. Eine gute Fernsehrolle brachte Bekanntheit. Klar war jedoch auch, dass die Redakteure und Regisseure kaum Freiheiten bezüglich des zu produzierenden Inhalts hatten. Deshalb beschränkte sich das Rollenangebot in den meisten Fällen auf den „produktiven sozialistischen Bürger“. Der viel interessanter zu spielenden Charaktere wie bspw. Menschen mit Alkoholsucht oder der Neigung zu Gewaltausbrüchen wurden eher selten gesucht. Aber auch hier gab es Ausnahmen. Einige Filme erzählten vom echten Leben in der DDR. Diese waren sehr beliebt und hatten hohe Einschaltquoten.
Wenn man an einer Schule als Dozent arbeiten wollte, konnte man das als freischaffender Schauspieler, sofern es freie Plätze gab.
Eine ganze Bühne mit Betonplatten auslegen, um das Feeling eines Neubauviertels in der DDR herzustellen, war das Ansinnen der Regisseurin Freya Klier. Für die Schauspieler bedeutete das: Auf keinen Fall hinfallen! Im Bild rechts die Schauspielerin Ute Lubosch als Paula in Ulrich Plenzdorfs Theaterstück „Die Legende vom Glück ohne Ende“. Oktober 1983, Schwedt an der Oder, DDR.
Quelle: © Harald Hauswald
Im Zuge der Verstaatlichung des Bildungswesens der DDR wurden die Schauspielschulen unter die Verantwortung des Ministeriums für Kultur der DDR gestellt. Kunst wurde in der DDR stark reglementiert und gleichzeitig staatlich sehr gefördert. Theaterstücke, Kinofilme und Fernsehproduktionen sollten das marxistisch-leninistische Weltbild vermitteln und die Bevölkerung in diesem Sinne erziehen. Das galt insbesondere für die Schauspielkunst, die über das Medium Fernsehen praktisch in jedem Haushalt präsent war. Während es im Theater eher möglich war, die künstlerisch-ästhetischen Aspekte und die entsprechende Formensprache in den Vordergrund zu stellen, war die Zensur für Fernseh- und Kinofilme streng.
In der DDR wurden viele Kinderfilme, Serien und Theaterstücke für die Jüngsten produziert. Die Bildung der „sozialistischen Persönlichkeit“ begann ja schon im Kindesalter. Aber gerade in diesem Genre schafften es Regisseure und Produzenten erstaunlich oft, die Vorgabe zur Indoktrination aufzuweichen und Vorstellungen von einer gerechteren Welt ohne ideologische Beigaben in Szene zu setzen. Besonders gelang das in Verfilmungen klassischer und moderner Märchen, die deshalb auch über die DDR-Grenze hinaus beliebt waren.
Bei entsprechender Berühmtheit konnte das Gehalt eines Schauspielers überdurchschnittlich sein. Die Bandbreite war, je nach Engagement und Sparte, groß.
Eine eigene Kinozeitung für Kinder, das gab‘s in der DDR! Der Gritta-Film wird heute noch regelmäßig im Fernsehen ausgestrahlt. In der DDR sollten Kinder- und Jugenddarsteller immer nur einen großen Film machen. Man wollte nicht, dass sie zum Idol für andere Jugendliche wurden.
Quelle: Progress Film-Verleih© Waltraud Patenheimer
Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung formierte sich die Medien- und Theaterlandschaft neu. Die beiden Fernsehsender der DDR wurden nicht in die bundesdeutschen Sendeanstalten integriert, sondern am 31.12.1991 abgeschaltet. Ab 1992 übernahmen die neugegründeten ARD-Sender MDR (Mitteldeutscher Rundfunk für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) und ORB (Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg) sowie der auf Bundesgebiet bereits existierende NDR (Norddeutscher Rundfunk, für Mecklenburg-Vorpommern) die Frequenzen und sendeten regional in die neuen Bundesländer. Der ORB fusionierte 2003 mit dem Sender Freies Berlin (SFB) zum heutigen Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Einige sehr beliebte Fernsehformate wurden weitergeführt oder neu aufgelegt.
Nach der Wiedervereinigung wurde die DEFA aufgelöst, ihre Studios privatisiert und ihr Filmarchiv durch die DEFA-Stiftung gesichert. Die Studioinfrastruktur besteht heute im Studio Babelsberg weiter. Die mehr als 700 Spielfilme, 2.250 Dokumentarfilme und 800 Animationsfilme der DEFA blieben erhalten und werden heute durch den Progress Filmverleih vertrieben, dem die Rechte an den Werken übertragen wurden.
In der Wendezeit spielten Theater eine wichtige Rolle als Orte öffentlicher Debatten. Bereits in den 1980er Jahren wurden Stücke russischer Autoren ins Repertoire aufgenommen, die Glasnost und Perestroika propagierten. Im Februar 1990 veröffentlichten Kulturschaffende „Theaterpolitische Leitlinien“, die eine Neustrukturierung der Theaterlandschaft forderten.
Mit dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurden in den neuen Ländern auch im kulturellen Bereich die bundesdeutschen Strukturen übernommen. Kultur wurde Ländersache und nicht mehr zentral gelenkt. Doch viele ostdeutsche Einrichtungen waren marode und die Kommunen finanziell kaum in der Lage, sie zu erhalten. Um Kürzungen zu verhindern, wurde Kultur im „Kultur-Artikel“ 35 des Einigungsvertrags festgeschrieben. Dieser Artikel hebt die Bedeutung der Kunst für die deutsche Einheit hervor. Auf dieser Grundlage konnte der Bund Mittel für Förderprogramme bereitstellen. Diese Förderprogramme wurden zunächst als Übergangslösung geschaffen, aber langfristig in anderer Form fortgeführt. Der Bund stärkte seine Kulturpolitik durch die Gründung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (1998) und der Kulturstiftung des Bundes. Dank dieser Maßnahmen konnte der befürchtete „Kahlschlag“ in der ostdeutschen Kulturlandschaft verhindert werden. Verhindert werden konnte aber nicht, dass viele Schauspieler arbeitslos wurden, obwohl sie hervorragend ausgebildet waren. Ihnen fehlte das Wissen über den westdeutschen Filmmarkt. Sie ließen sich häufig für zu niedrige Gagen anstellen, um überhaupt arbeiten zu können. Dass sie in den 1990er Jahren Engagements fanden, lag vor allem daran, dass deutsch-deutsche Geschichten nun besonders aktuell waren und man die ostdeutschen Filmfiguren glaubhaft mit ostdeutschen Schauspielern besetzen wollte.
Privates Theater, kurz vor oder nach dem Ende der DDR. Eine österreichische Theatergruppe zu Besuch in Ost-Berlin, vermutlich Oderberger Straße 1989, DDR.
Quelle: Agentur Ostkreuz© Harald Hauswald
Stasi in der „Nische“
Die Staats- und Parteiführung der DDR maß Kunst und Kultur eine hohe Bedeutung zu, besonders in Hinblick auf die Erziehung der Menschen im Sinne der sozialistischen Ideologie. Deshalb riss die Partei die Kontrolle über diesen Bereich an sich und beauftragte auch das Ministerium für Staatssicherheit mit seiner Überwachung, landesweit. Gerade in Theatern kleinerer Städte, fernab von Berlin mit dem zuständigen Ministerium für Kultur, wagten Intendanten und Regisseure immer wieder das Experiment, die ideologischen Vorgaben aus der Hauptstadt zu umgehen und die Grenzen des Möglichen zu erweitern. Doch durch zahlreiche offizielle und inoffizielle Mitarbeiter im Theater- und Filmbetrieb erfuhr die Staatssicherheit trotzdem von möglichen Meinungsabweichungen der Künstler, von geplanten systemkritischen Inszenierungen und anderen Tendenzen, die „Errungenschaften des Sozialismus“ nicht so darstellen zu wollen, wie die Kulturfunktionäre der SED das wünschten. Ab 1984 gab es für das Fernsehen eine eigene SED-Kreisleitung, um die Produktionen enger an die Partei zu binden. Der Staatssicherheitsdienst beschäftigte für die Kontrolle der Medien 42 offizielle und 350 inoffizielle Mitarbeiter. In ihrem Buch „Hinter den Kulissen“ belegt die Autorin Christiane Baumann anhand sorgfältiger Recherchen, dass im Staatstheater in Schwerin 27 von 100 Beschäftigten inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit waren. Auch im Bereich Tanztheater gab es enge inoffizielle Verflechtungen zwischen Kunst und Staat. Somit war das Theater der DDR keine Nische, in der man sich der Überwachung durch die SED ein Stück entziehen konnte (so wird es häufig beschrieben), sondern wie alle anderen Bereiche stets unter Kontrolle der machthabenden Partei mit starken Konsequenzen für Schauspieler und Regisseure, wenn sie die „sozialistischen“ Erzählwege verließen. Das musste auch die freischaffende Regisseurin Freya Klier schmerzlich erfahren, die am 800 Plätze fassenden Theater der Chemie-Stadt Schwedt für die dort lebenden Arbeiter spannende Inszenierungen umsetzte. 1984 noch mit dem DDR-Regiepreis ausgezeichnet, bekam sie ein Jahr später Berufsverbot, weil die Stücke zu kritisch wurden und weil sie sich in der kirchlichen Friedensbewegung engagierte. Gemeinsam mit ihrem ebenso mit Berufsverbot belegten Mann, dem Liedermacher Stephan Krawczyk, spielte sie von da an illegal in Kirchen und Gemeindehäusern, bis beide im Januar 1988 von der Staatssicherheit verhaftet und kurze Zeit später als Landesverräter aus der DDR ausgebürgert wurden. Der Staat wollte solche unliebsamen Kritiker schnell loswerden. Dass die DDR mit solchen Aktionen über Jahrzehnte hinweg die künstlerische Elite des Landes einschränkte und verlor, war in der Film- und Theaterlandschaft deutlich zu spüren.
„Pässe & Parolen“ hieß ein Stück von Freya Klier und Stephan Krawczyk. Seit 1985 erarbeiteten und inszenierten sie gemeinsam Theaterprogramme. Im selben Jahr wurden beide mit einem Berufsverbot belegt. Die SED setzte auch die evangelischen Kirchen unter Druck, ihnen kirchliche Räume für ihre Aufführungen nicht zur Verfügung zu stellen. Nicht wenige Gemeinden beugten sich, so dass Stephan Krawczyk und Freya Klier immer weniger Auftrittsmöglichkeiten fanden.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner & Robert-Havemann-Gesellschaft
DEFA
Die Deutsche Film Aktiengesellschaft (DEFA) wurde am 17. Mai 1946 in Potsdam-Babelsberg gegründet. Wenige Jahre nach Gründung der DDR, im Oktober 1952, wurde sie verstaatlicht, neu organisiert und als Volkseigener Betrieb (VEB) in das Wirtschaftssystem der DDR eingegliedert. Sie bestand nun aus mehreren einzelnen Studios für die verschiedenen Filmsparten und technischen Betrieben (z.B. DEFA-Studio für Spielfilme, DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme, DEFA-Studio für Synchronisation, DEFA-Kopierwerk), die hauptsächlich in Potsdam-Babelsberg und Berlin angesiedelt waren. Der VEB DEFA Studio für Spielfilme produzierte zwischen 1946 und 1990 666 abendfüllende Spielfilme, darunter 148 Kinderfilme. Für das Fernsehen der DDR entstanden zwischen 1959 und 1989 607 Fernsehspielfilme oder Spielfilmteile. Das durchschnittliche Produktionsvolumen belief sich auf ca. 50 Spielfilme für Kino und Fernsehen pro Jahr. 1989, im letzten Jahr der DDR, waren 2.366 Menschen bei der DEFA beschäftigt.
Die DEFA wurde dem Ministerium für Kultur der DDR unterstellt. Dort war die sogenannte Hauptverwaltung Film für die inhaltliche und wirtschaftliche Kontrolle der Filmproduktion in der DDR zuständig. Diese Behörde hatte quasi eine klassische Zensurfunktion, auch wenn das offiziell nicht so genannt werden durfte. Laut Verfassung der DDR durfte es nämlich keinerlei Zensur geben. Faktisch wurde sie aber doch ausgeführt. Alle Drehbücher mussten vor Drehbeginn von der Hauptverwaltung Film anhand von überwiegend ideologischen Kriterien überprüft und vom Studiodirektor zur Produktion freigegeben werden. Immer wieder landeten von der DEFA produzierte Filme im sogenannten „Giftschrank“ - so nannte man Orte, an denen Filme (oder auch Bücher) verwahrt wurden, die in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden durften - und kamen nie in die Kinos oder das Fernsehen. Sie fielen der Zensur anheim, weil sie zu kritisch waren oder weil der Hauptdarsteller gerade in den Westen ausgereist war. 1965 wurden 12 Filme verboten, weil sie Probleme in der DDR thematisiert hatten. Dabei ging es in diesen Filmen nicht darum, die DDR abzuschaffen, sondern Wege für Verbesserungen zu suchen.
Der bekannteste verbotene Film war „Spur der Steine“, ein Gegenwartsfilm des Regisseurs Frank Beyer. Er wurde nach nur wenigen Vorführungen wegen „antisozialistischer“ Tendenzen aus dem Programm genommen und erst 1990 wieder zugelassen. Der Hauptdarsteller Manfred Krug, ein beliebter und berühmter Schauspieler, verließ die DDR 1977 per Ausreiseantrag. Er hatte das Protestschreiben gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann (https://www.ddrbox.de/beruf/musiker) unterzeichnet und bekam keine Rollenangebote mehr – er wurde „kaltgestellt“.
Manfred Krug kurz vor seiner Ausreise aus der DDR, sitzend vor einem seiner Oldtimer in der Remise seines Hauses in Pankow. 1977 Ost-Berlin, DDR.
Quelle: Roger Melis © Roger Melis Nachlass
#7 Ingo: Brandenburg – Radikalisierung