Es war ein Privileg, Pilot oder Stewardess bei der einzigen staatlichen Fluglinie der DDR zu werden. Die Auswahlkriterien bei der Interflug waren streng. Neben Mehrsprachigkeit und tadellosem Auftreten wurde selbstverständlich großer Wert auf „staatsbürgerliche Reife“ gelegt. Für den Einsatz in den Fluglinien kamen nur wenige Personen in Frage. Diese mussten sich, neben der flugtechnischen Eignung, zum sozialistischen Staat bekennen, sollten verheiratet sein und keine Westkontakte haben. Denn die Flugrouten führten auch ins nichtsozialistische Ausland.
Die Angestellten der Interflug waren Repräsentanten der DDR im Ausland. Die Dienstuniformen der Stewardessen und Piloten wurden deshalb auch vom Modeinstitut der DDR entworfen. Nicht alle Stewardessen durften ins kapitalistische Ausland fliegen und Beziehungen zwischen Stewardessen und Piloten waren unerwünscht.
„Wir hatten Zugang zu so vielen Dingen, die ‚normale’ Menschen in der DDR nie bekommen konnten. Und das Privileg, ins Ausland zu reisen!“
Neben einem Abschluss der 10. Klasse und einer guten Note in Staatsbürgerkunde sowie ausreichend Kenntnisse in den beiden Sprachen Russisch und Englisch (selten Französisch), die ab der 5./7. Klasse in den Schulen der DDR unterrichtet wurden, brauchte man eine abgeschlossene Berufsausbildung als Bürokaufmann oder Kellner. Denn zum Kabinenpersonal wurde man umgeschult. Es war, anders als heute, kein eigenständiger Ausbildungsberuf. Außerdem musste man neben flugtauglich mindestens 1,60 m groß sein und am besten schon verheiratet oder in festen Bindungen sein, wobei Beziehungen zu Piloten wiederum nicht gern gesehen waren.
Auch Westverwandtschaft (schwierig, im geteilten Deutschland keine zu haben) war unerwünscht. Es könnte ja eine Flucht aus der DDR begünstigen. Deshalb wurden die Bewerber:innen meistens gründlich durch die Staatssicherheit überprüft.
Interflug-Stewardess auf dem Rollfeld, 1977
Quelle: © IMAGO / Werner Schulze
Das wichtigste Arbeitsfeld war die Betreuung der der Interflug-Gäste am Flughafen und im Flugzeug auf dem Weg ins sozialistische und nichtsozialistische Ausland. Dann wurden, genauso wie heute, am Boden Bordkarten ausgestellt und Gepäck angenommen, in den Flugzeugkabinen Getränke ausgeschenkt, Essen erwärmt und gelegentlich Babys beruhigt. Neben dem Schichtdienst hatten die Stewardessen an den Zielorten häufig Zeit für Städtebummel und Einkäufe.
Praktische Ausbildung zukünftiger Stewardessen im Flugzeugrumpf eines Passagierflugzeuges IL-18 der Fluggesellschaft INTERFLUG, 1967
Quelle: © ddrbildarchiv.de / Lothar Willmann
Die Ausbildung dauerte 5 Monate und neben dem politisch prägenden Fach Marxismus/Leninismus lernte man weiter Englisch und Russisch sowie vor allem die Technologie des Luftverkehrs. Dazu gehörten auch Geographie, Streckenkunde, Flugsicherung/Navigation und Flugzeugtypenkunde (Antonow 24, Iljuschin 18 Tupolew 134/A, IL 62). Man musste eine Sprachkundigenprüfung ablegen. Die pädagogische Komponente dieser Ausbildung waren die Passagierbetreuung und Psychologie. Den Beruf der Stewardess übten ausschließlich Frauen aus. Die Karriereleiter hatte nicht allzu viele Stufen. Man konnte Chef de Cabin werden. Eine zweite ostdeutsche Fluglinie, zu der man hätte wechseln können, gab es nicht. Ausbildungsplätze waren rar und begehrt. 1960, zwei Jahre nach Gründung der Interflug, gab es gerade mal 20 Ausbildungsplätze, was sich infolge des wirtschaftlichen Wandels natürlich bis 1989 deutlich steigerte.
Handausgefüllte Bordinformation der Interflug von 1965, damals durfte man in Flugzeugen noch rauchen
Quelle © DDR Museum
Das Gehalt einer Stewardess lag über dem Durchschnittseinkommen, welches Mitte der 1980er Jahre ca. 800 - 1000 Mark betrug. Bei Flügen ins NSW (nichtsozialistische Ausland) wurden ein Teil des Gehalts und die Spesen in D-Mark oder Dollar ausgezahlt. Politisch betrachtet war die Interflug samt Personal ein Aushängeschild der DDR in die Welt. Als Billigflieger für die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Fluggäste war es wirtschaftlich gesehen ein El Dorado in den Süden und andererseits eine wichtige Deviseneinnahme für den Staat, um damit Waren, Güter und Dienstleistungen zu kaufen, die es in der DDR so nicht gab. Die Interflug flog in den 33 Jahren ihrer Existenz rund 250 Flughäfen in über 100 Ländern auf der ganzen Welt an und beförderte pro Jahr rund 1,2 Mio. Fluggäste. Der wichtigste Flughafen in der DDR war für West-Berliner:innen und Bundesbürger:innen der Flughafen Berlin-Schönefeld mit Transit-Bustransporten über die Grenze.
BARKAS-Transporter aus Karl-Marx-Stadt als Expeditionsfahrzeug neben einer Linienmaschine der INTERFLUG der DDR auf dem Flughafen Freetown in Sierra Leone, Westafrika, 1971
Quelle: © IMAGO / Harald Lange
1991, kurz nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wurde die Interflug durch die Treuhandanstalt liquidiert, da sie nicht von der Lufthansa AG oder einer anderen Fluggesellschaft übernommen werden durfte. Der letzte Flug von Wien nach Berlin Schönefeld fand am 30. April 1991 statt. Etwa 1000 Mitarbeitende auch aus dem Technikbereich der Interflug wurden von der Lufthansa AG übernommen, viele Piloten fanden jedoch auch bei anderen Airlines neue Anstellungen, z.B. bei AirBerlin oder den stark expandierenden arabischen und fernöstlichen Fluggesellschaften.
Der ehemalige Flughafen Berlin-Schönefeld existiert heute als Terminal 5 des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER).
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die Interflug liquidiert, Streckenkarten und Werbematerial wurden nicht mehr gebraucht
Quelle: © DDR-Museum
Bei Übernachtungen in nichtsozialistischen Ländern nahmen sich die Besatzungen sogar Essen von zu Hause mit – um nur ja die in harter Westwährung ausgezahlten Spesen heimbringen zu können.
Werbeschild der Interflug am Flughafen Berlin-Schönefeld, 1983 DDR
Quelle: ©DDR Museum
#1 Katharina: Das zweite Zuhause