Außenhandelskaufmann

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

24

Schulabschluss (Klassen)

10

Mathematik, sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, ein Telefon und ein Taschenrechner waren die Basics in diesem Beruf. Quelle: Zentralinstitut für Berufsbildung der DDR / Foto © G. Hilpert

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Reisekader der DDR  

Das hauptsächliche Betätigungsfeld des Außenhandelskaufmanns war die sozialistische Volkswirtschaft der DDR – im Speziellen der Import und Export von Waren, der dem Staat die kostbaren Devisen einbringen sollte. In diesem Beruf konnte man also auch in jenen Bereichen eingesetzt werden, die für den Handel mit westlichen Ländern zuständig waren. Die Tätigkeit konzentrierte sich auf alle buchhalterischen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten, die mit dem Im- und Export von Waren im Zusammenhang standen und wurde zu großen Teilen an den Schreibtischen in den entsprechenden Kombinaten und Außenhandelsbetrieben ausgeführt. Einigen wenigen Beschäftigten war es vergönnt, im operativen Tagesgeschäft direkt mit ausländischen Firmen, auch im westlichen Ausland, in Verbindung zu treten und zum „Reisekader“, also zum Dienstreisenden, zu werden. Das machte den Beruf besonders attraktiv, denn in der eingeschlossenen Gesellschaft war es ein häufig angestrebter, aber selten erreichter und von der SED streng kontrollierter Wunsch, in den „Westen“ zu reisen. Die Menge der Bewerber war dementsprechend hoch. Es war ein äußerst begehrtes Privileg, zu den sogenannten „Reisekadern“ zu gehören, dass nur loyalen Personen, die die DDR im Sinne der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vertraten, vorbehalten blieb. Darüber wachten Partei und Staatssicherheit.

„Ich heroisiere die DDR nicht, aber ich mache sie auch nicht verächtlich. Ich habe ihr bis zu ihrem Untergang, das war für mich am 18. März 1990, treu gedient. Allen, die das wie ich in ehrlicher Absicht getan haben, bewahre ich Solidarität. Ich hatte ein halbes hundert Gelegenheiten, der DDR den Rücken zu kehren, aber warum sollte ich? Ich war nie Opfer, und ich wollte auch nicht in einem bürgerlichen Staat leben.“  


Dietrich Lemke, Außenhandelskaufmann in der DDR  

TAKRAF war das beste Pferd im Stall der Schwermaschinen aus der DDR und im Tagebau auf der ganzen Welt nicht mehr wegzudenken. Stand der DDR auf der Hannover Messe, 1988, BRD, Foto: © IMAGO / Rust

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Ein gutes Seh- und Hörvermögen sowie gut ausgeprägte Beweglichkeit der Finger und Hände werden in einer Informationsbroschüre des Zentralinstitutes für Berufsbildung der DDR als Voraussetzung für das Bedienen der Büro- und Rechenmaschinen angegeben, daneben Eigenschaften wie hohes Konzentrationsvermögen und sicheres Erfassen von Zusammenhängen. Da ein Außenhandelskaufmann (AHK) die wirtschaftlichen und politischen Interessen der DDR ggf. auch im Ausland repräsentierte, wurde von ihm ein gepflegtes Äußeres, gute Aussprache, gute Umgangsformen und Taktgefühl, Prinzipienfestigkeit (im Sinne der Vertretung sozialistischer Überzeugungen), Verantwortungsbewusstsein und hohe Belastbarkeit verlangt. Tauglichkeitseinschränkungen waren jede Form einer psychischen Erkrankung sowie irreparable Hör- und Sprachstörungen.  

Ein Mähdrescher mit adrettem Namen für die Reisernte. Die DDR wollte neue Businesspartner in Asien und Afrika gewinnen, denn Reis wuchs in der DDR leider nicht. Herbstmesse, Leipzig, DDR 1970er Jahre.
Quelle: © IMAGO / Walter Rudolph    
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Arbeitsfelder

Der Außenhandelskaufmann arbeitete in den Bereichen Beschaffung von Waren und Absatz sowie Außenwirtschaft der beteiligten Im- und Exportbetriebe in allen Bezirken der DDR. Unabhängig von seiner Spezialisierung gehörten zu seinen Tätigkeiten grundlegende Arbeiten wie eigenverantwortliches und selbstständiges Planen, Erfassen, Abrechnen sowie die Kontrollen in speziellen Aufgabengebieten. Weiterhin waren auch die Vor- und Nachbereitung für analytische und konzeptionelle Aufgaben wie Markteinschätzungen ein Teil des Arbeitsfeldes. Der AHK nutzte für diese Aufgaben die elektronische Datenverarbeitung (EDV) und die dafür notwendigen Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen.

Er arbeitete eng mit den Angestellten der jeweiligen Ex- bzw. Importbetriebe, den Rechenzentren der Kombinate und des Außenhandels, den Banken und den Transportbetrieben der DDR zusammen, mit denen er sich über Produktionszeiträume, Lieferketten und Logistik und auch über auftretende Probleme und deren Lösungen abstimmen musste.

Innerhalb des Arbeitsfeldes gab es zwei Spezialisierungsmöglichkeiten. Zu den Haupttätigkeiten eines Außenhandelskaufmanns in der Spezialisierungsrichtung Operative Handelstätigkeit gehörten das Bearbeiten und die Erstellung von Abfragen und Angeboten, das Anfertigen von Schriftstücken für Kunden und Lieferanten, die Kontrolle zu abgegebenen Angeboten sowie der Vertragsbindung und Realisierung. In der Spezialisierungsrichtung Finanzen arbeiteten Außenhandelskaufmänner bei der Bearbeitung von Reklamationen und Vertragsstrafen mit, waren an der Vor- und Nachbereitung von Verhandlungen mit in- und ausländischen Partnern beteiligt, wirkten mit bei der Vertragsausfertigung, der Erfassung der Vertragsbindung und der Vertragsabrechnung und prüften die Übereinstimmung von Abrechnung und Vertrag.

Besonders viele Arbeitsplätze für ausgebildete Außenhandelskaufleute wurden aufgrund der hohen Exportraten im Maschinenbau angeboten. Gegen Ende der DDR wurden 70% der in den vier großen Kombinaten des Werkzeugmaschinenbaus produzierten Maschinen exportiert. Der größte Anteil ging in die sozialistischen Länder, aber auch in den westlichen Ländern war die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen aus der DDR groß, was eine wichtige Devisenquelle für die DDR darstellte.    

Als Außenhandelskaufmann verbrachte man weniger Zeit am Strand als an wirtschaftlichen Standorten der Partnerländer. Doch es war der Traum fast aller DDR-Bürger, zu reisen und die Welt zu sehen. Reisekatalog der DDR, 1979.
Quelle: © DDR Museum   
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Während der zweijährigen Facharbeiterausbildung erhielt man, eingeteilt in Fachklassen, berufstheoretischen Unterricht in den Grundfächern Politische und Außenhandelsökonomie, Rechnungsführung und Statistik, Sprachkommunikation und Maschinenschreiben. Dazu kam eine spezifische Sprachausbildung in Russisch und Englisch bzw. Französisch. Außerdem musste man die schulischen Grundkenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik, Zins- und Prozentrechnung und Staatsbürgerkunde erweitern. Im praktischen Unterricht, der meistens in den Export-/Importabteilungen der Außenhandelsbetriebe erfolgte, erlernte man die verschiedenen Formen der Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung sowie die Handhabung der bürotechnischen Geräte.

Während der Ausbildung erfolgte nach dem Erwerb der Grundlagen die Spezialisierung für das operative Geschäft („operative Handelstätigkeit“) oder für die Abwicklung aller finanziellen Angelegenheiten. Weiterbildung war vor allem im sprachlichen Bereich gefragt. Man konnte spezielle Kenntnisse einer zweiten oder dritten Fremdsprache erwerben inklusive der Sprachprüfungen in den Welthandelssprachen. Bei entsprechender Leistung und Persönlichkeitsentwicklung konnte ein Fachschulstudium mit der Qualifizierung zum Außenwirtschafts- oder Finanzökonom aufgenommen werden. Wie in vielen Berufen war auch hier eine militärische Laufbahn im Anschluss an die Ausbildung möglich (Berufsunteroffizier mit Meisterqualifikation).

Ähnliche Berufe waren Wirtschaftskaufmann (in den frühen Jahren der DDR war das der eigentliche Grundberuf), Finanz- und Verkehrskaufmann.   

Dr. Uwe Wulf (Mitglied der SED), stellv. Generaldirektor des Kombinats VEB Robotron war aufgrund seiner Führungsposition Reisekader. Zur Frühjahrsmesse vermittelte der Arbeiter- und Bauernstaat den Eindruck, Anschluss an die Standards des Westens in der Mikroelektronik- und Roboterindustrie gefunden zu haben. Die für CAD/CAM-Lösungen benötigten 32-Bit-Speicher sollte die Tschechoslowakei liefern. Leipzig, DDR, 1986.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Der Import von speziellen technischen Gütern aus dem Ausland, die man in der DDR zur Herstellung lebenswichtiger Produkte brauchte, kostete Devisen. Devisen sind Zahlungsmittel in einer Fremdwährung oder Kontoguthaben bei ausländischen Banken in der jeweiligen Landeswährung und nur über Exporte zu erwirtschaften. Da die DDR keine frei konvertierbare Währung besaß, wurden alle Währungen westlicher Länder als Valuta (Devisen) bezeichnet. Eine D-Mark entsprach etwa einer Valutamark. Die DDR verkaufte z.B. im Jahr 1980 Waren im Wert von 57,13 Mrd. Valutamark (VM) und importierte Waren im Wert von 62,97 Mrd. VM. Fünf Jahre später war das Import-Export-Geschäft auf mehr als das Doppelte angewachsen. Vor allem exportierte die DDR 1985 mehr Güter, als sie einkaufte. (Importe: 128,29 Mrd.VM – Exporte: 148,23 VM). Zum Ende der DDR hatte sich dieses Verhältnis aber wieder umgekehrt. Der Gewinn aus den Exporten konnte die Kosten für die Importe nicht vollständig decken (1989: Import: 144,71 Mdr.VM – Exporte: 141,1 Mrd.VM). Der Außenhandel der DDR unterlag der strengen staatlichen Kontrolle des Ministeriums für Außenhandel (MAH). Die zunehmende Industrialisierung und das Bemühen um die Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung erforderte ein ständiges Wachstum des Importvolumens, was die DDR dazu zwang, hochwertige Güter fast ausschließlich für den Export zu produzieren. Sie wurden im Westen zu niedrigen Preisen angeboten,, um auf diese Weise Devisen zu erwirtschaften und der wachsenden Auslandsverschuldung entgegenzusteuern. Im DDR-Staatshandel kostete die Waschmaschine „WA 66“ aus dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Waschgerätewerk Schwarzenberg zum Beispiel 2.600 Mark. Das Versandhaus „Quelle“ lieferte sie – als Modell „Privileg“ – für 498 D-Mark in die bundesdeutschen Haushalte. Exporte ins nichtsozialistische Ausland wurden allerdings mit enormem Aufwand subventioniert. Das Ungleichgewicht zwischen subventionierten Exporten und steigendem Importvolumen führte letztendlich zum finanziellen Ruin des Staates.

Ein besonders heikler Faktor: Über den Freikauf von etwa 33.000 politischen Häftlingen aus der DDR an die Bundespublik verdiente der Staat allein fast 3,4 Mrd. D-Mark.   

Deutrans war die internationale Logistikfirma der DDR. Am Grenzkontrollpunkt Helmstedt - Marienborn 1978. Ein Deutrans-LKW fährt Richtung DDR. Im Hintergrund der Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen.
Quelle: © IMAGO / Rust     
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Transformation

Hier spielte nach Mauerfall und Wiedervereinigung die in der Spätphase der DDR gegründete Treuhandanstalt mit ihrer Aufgabe, die Volkseigenen Betriebe nach den Grundsätzen der kapitalistischen Marktwirtschaft zu privatisieren, eine wesentliche Rolle. Viele DDR-Betriebe wurden unter Vermittlung dieser oft nur als „Treuhand“ bezeichneten Institution für einen Bruchteil ihres Wertes von westdeutschen Firmen aufgekauft und rationalisiert oder ausgeschlachtet und abgerissen. Außenhandel konnte die Bundesrepublik gut. Wer als ehemaliger Außenhandelskaufmann der DDR die schnelle Umstellung auf topmoderne Datenverarbeitung nicht meisterte oder vielleicht nur Russisch als einzige Fremdsprache beherrschte, hatte bei der Übernahme der Belegschaft für den internationalen Markt meist das Nachsehen. Ihm blieb dann der Einsatz in anderen, evtl. weniger attraktiven wirtschaftlichen Bereichen, die Umschulung für einen anderen Job oder gar die Arbeitslosigkeit. 

Realsozialistischer Computerrausch. Beworbener 32-Bit-Rechner kurz vor dem Ende der DDR. Stolz präsentierte das Kombinat Robotron die hauseigene Mikroelektronik auf der Frühjahrsmesse. Nach eigenen Angaben hatte der volkseigene Computerhersteller den Anschluss an westliche Hersteller und Standards gefunden. Die ausgestellten Rechner sollten IBM-PC/XT-kompatibel sein. Leipzig, DDR, 1989.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner    
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Extra 1

Der wichtigste Mann der Wirtschaft

1964 entstand im Ost-Berliner Ministerium für Außenhandel eine Abteilung mit absoluter Sonderstellung – die sogenannte „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo), ein geheimer Bereich mit dem obersten Ziel, Devisen unter Umgehung der legalen Möglichkeiten zu beschaffen. Als Leiter dieses Sonderbereiches wurde der Wirtschaftsfunktionär und Oberst im Ministerium für Staatssicherheit Alexander Schalck-Golodkowski eingesetzt. Die Methoden waren kapitalistisch bis kriminell. So wurde beispielsweise aus der UdSSR zu den innerhalb des RGW ausgehandelten Sonderpreisen bezogenes Rohöl in heimischen Raffinerien „veredelt“ und dann teuer weiterverkauft. Es wurden in mehr als 25 Jahren knapp 150 Firmen und Firmengeflechte auf der ganzen Welt gegründet, die die Gewinnabschöpfung an Devisen maximieren sollten. Das geschah mittels Falschdeklaration von Waren, Umgehungsgeschäften, Steuerbetrug, Dokumentenfälschung, Antiquitätendiebstahl und -handel sowie Schmuggel und sogenannter Embargogeschäfte (Beschaffung westlicher Produkte, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht in sozialistische Länder exportiert werden durften).

Die eingenommenen Devisen wurden neben der Abwehr drohender Zahlungsunfähigkeit der DDR (z.B. im Jahr 1982) bspw. auch für die Finanzierung der westdeutschen kommunistischen Partei (DKP), für den operativen Bedarf des MfS bei Auslandsspionage, für illegale Importe von Mikrotechnologie oder schlicht für die exklusive Versorgung der Funktionäre des Politbüros in der Siedlung Wandlitz verwendet.  

Eher ein Großkapitalist? Alexander Schalck-Golodkowski, Ex-Devisenbeschaffer in der DDR, musste sich vor dem Untersuchungsausschuss „Kommerzielle Koordinierung“ des Deutschen Bundestages in Bonn verantworten. 1992, Bonn, BRD.
Quelle: © IMAGO / Sepp Spiegl   
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Extra 2

Leipziger Messe – Schaufenster des Sozialismus

Die Leipziger Messe war eine internationale Messe in der DDR, die der Förderung des internationalen Handels sowie des wissenschaftlich-technischen Leistungsvergleichs und Erfahrungsaustauschs diente. Hier suchten die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) vereinigten sozialistischen Länder auf wirtschaftlichem Gebiet den Kontakt zum Westen. Leipzig lebte von seinem Ruf als „Messestadt“. Die alljährlich stattfindenden Frühjahrs- und Herbstmessen bestimmten den Lebensrhythmus dieser Stadt. Städtebauliche Maßnahmen waren genauso wie der Kulturkalender auf die Messen ausgerichtet. Selbst der Ablauf der Studienjahre an den Hochschulen richtete sich nach den Messeterminen, denn dann diente z.B. das Seminargebäude der Universität nicht als Ort der Lehre, sondern als Pressezentrum und die Studierenden arbeiteten als Hilfskräfte im Messebetrieb. Die Stadt bekam durch die zahlreichen Geschäftsreisenden von überall her den in der DDR so oft vermissten und herbeigesehnten internationalen Flair. Die Hotels waren ausgebucht, es gab Messepreise und Messeprostitution. Niemals sonst war es in der DDR so einfach, in Kontakt mit Menschen und Errungenschaften westlicher und exotischer Länder zu kommen.

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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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