Musiker

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

48

Schulabschluss (Klassen)

10

Als Berufsmusiker kann man sich den Arbeitsplatz nicht immer aussuchen! Hier das Blasmusikfest in Bleichlingen, Thüringen, DDR 1970. Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Uwe Gerig

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Ein Kessel Buntes – offizieller Kulturbetrieb der DDR    

Kultur war in der DDR erwünscht und Musik ein wichtiger Bestandteil im DDR-Alltag. Der „Arbeiter- und Bauernstaat“ wollte, dass sich seine Werktätigen nach getaner Arbeit auch musikalisch bilden und sich neben sportlichen Aktivitäten auch bei kulturellen Veranstaltungen entspannen können. Dazu gehörten Konzerte mit klassischer und zeitgenössischer Musik, Tanzveranstaltungen, Diskotheken und entsprechende Fernsehsendungen. Marschmusik verbanden die Menschen eher mit den zahlreichen jährlichen offiziellen Feiertagen der DDR, wenn Musikkapellen der Freien Deutschen Jugend (Jugendorganisation der SED), der Armee oder der Volkspolizei aufspielten.

Musiker waren in vielen Bereichen beschäftigt: in der Schlager- oder Rockmusik oder in klassischen Orchestern, staatlich angestellt oder freiberuflich. Sie traten auf in Konzertsälen und Opernhäusern, in Rundfunk- und Fernsehsendungen oder in den Ferienorten der DDR – alles immer unter Kontrolle der staatlichen Kulturinstitutionen. Sie arbeiteten entweder im Kollektiv einer Band, eines Orchesters oder Chores oder waren allein unterwegs als Liedermacher und Solisten im klassischen oder popkulturellen Bereich. Reisen durch die DDR waren Teil des Berufslebens. Deshalb war es wichtig, neben der staatlichen Spielerlaubnis, die unter den Musikern „Pappe“ hieß und ohne die ein Auftritt im offiziellen Kulturbetrieb nicht möglich war, auch eine Fahrerlaubnis, ebenfalls „Pappe“ genannt, und am besten noch ein eigenes Auto zu besitzen.

„Also die (Polizei) haben dich schon auf dem Weg zur Kirche versucht abzufangen, gerade wenn du auffällig gekleidet warst. Aber da gab es Tricks. Da hat man die Instrumente schon eine Woche vorher dahin gebracht, vor dem Konzert und hat sich dann auf dem Weg in die Kirche seriös angezogen, hat sich die Haare hübsch gemacht und ein Hemd angezogen.“   


Subkulturbetrieb der DDR
Hans Narva, Bassist der Band Herbst in Peking, über illegale Konzerte in der DDR

Das Publikum im ausverkauften alten Berliner Friedrichstadtpalast singt jede Zeile mit und klatscht frenetisch Beifall. Unter den Top 3 der erfolgreichsten DDR-Bands – die Puhdys im April 1979, DDR Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Um an einer der Musikhochschulen studieren zu dürfen und Berufsmusiker zu werden, brauchte man Talent. Ohne das ging es nicht. Gute Noten reichten im Allgemeinen nicht aus. Bewerber für ein Musikstudium mussten ein oder mehrere Instrumente spielen und/oder schon länger in einem Chor singen. Das Abitur war nicht erforderlich. Man brauchte ein gut ausgebildetes Hörvermögen und musste sich, vor allem in der klassischen Laufbahn, in das Orchesterkollektiv bzw. in den Chor einfügen können.    

FDJ-Singegruppen bei einem Wettbewerb im Haus der Jungen Talente. Die 1960 entstandene Singebewegung im Arbeiter- und Bauernstaat ist eine musikalisch-politische Kampagne, die sich als sozialistische Variante zur US-Folkmusik entwickelte. Diesbezügliche Wettbewerbe der SED-Nachwuchsorganisation FDJ sind Bestandteil der offiziellen Kulturpolitik.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner      
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Arbeitsfelder

Die besten Arbeitsplätze für Musiker waren die zahlreichen Tanzorchester, Big Bands sowie die klassischen Orchester für Oper, Rundfunk und Fernsehen. Hatte man es in eines der bekannten Opern-, Sinfonie- oder Kammerorchester oder auch in eine über die DDR hinaus berühmte Big Band geschafft oder hatte eine erfolgreiche Solokarriere eingeschlagen, waren neben vielen Proben Auftrittstermine im In- und Ausland an der Tagesordnung. Man sah etwas von der Welt oder spielte gemeinsam mit berühmten ausländischen Solisten, die in der DDR gastierten. Die Konzerte und Veranstaltungen waren in der Regel gut besucht. Mitschnitte klassischer Konzerte wurden auf dem Klassiklabel der DDR ETERNA gepresst und verkauft.

Die Populär- und Rockmusik war ebenfalls ein dankbares Arbeitsfeld. Die Menschen in der DDR gingen gern auf Konzerte und Festivals und in Ermangelung der Möglichkeiten, Schallplatten westlicher oder internationaler Künstler erwerben zu können, kaufte man die heimische Auswahl des für Unterhaltungsmusik verantwortlichen Plattenlabels AMIGA. Beide Label gehörten zum Alleinhersteller für Tonträger, dem VEB Deutsche Schallplatten Berlin. Wobei ab Mitte der 1980er Jahre auch Musik internationaler Künstler in ostdeutsches PVC (Polyvinylchlorid) gepresst wurde – meist ohne Lizenzgenehmigung. 97 Millionen Tonträger wurden zwischen 1955 und1989 verkauft.

Wer es nicht in diese beiden Sparten schaffte, arbeitete häufig als Musikpädagoge und unterrichtete andere begabte Menschen. Oder man gab den Traum auf, blieb Amateurmusiker mit einem anderen Hauptberuf.

Wenn sie ein Instrument spielten, konnten Männer während ihrer Zeit in der Armee Glück haben und von bestimmten Ausbildungseinheiten befreit werden. Sie durften stattdessen im Armeeorchester spielen.   

Auftritt des Thomanerchores unter der Leitung von Hans-Joachim Rotzsch (Thomaskantor) zusammen mit der Staatskapelle Berlin und dem Chor der Staatsoper während des Festaktes im Friedrichstadtpalast anlässlich des XI. Parteitages der SED. Ost-Berlin, April 1986.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Eastblockworld  
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Im Allgemeinen mussten Schulabgänger nach der 10. Klasse ein einjähriges Vorstudium absolvieren, danach kam dann erst die „richtige“ Aufnahmeprüfung. Für musikalisch begabte Kinder, die ein Instrument überdurchschnittlich gut beherrschten, gab es noch die Chance, in die „Kinderklasse“ der Hochschule für Musik aufgenommen zu werden, wo schon die 6- und 7jährigen von Professoren kostenlos unterrichtet wurden. Die Fächerkombination an der Musikhochschule variierte je nach Hochschule, Studiengang und Zeitraum des Studiums.

Hauptfächer waren Gesang, Komposition, Dirigieren und der Instrumentalunterricht im jeweiligen Haupt- und Zweitinstrument. Theoretische Fächer waren Musiktheorie, Tonsatz, Instrumentation, Musikgeschichte und Musikanalyse.

Praktische Fächer waren Kammermusik, Orchesterspiel, Korrepetition sowie Improvisation in der Tanz- und Unterhaltungsmusik.

Auch Musikpädagogik und die Methodik des Instrumentalunterrichts wurden unterrichtet. Tanz- und Bewegungsunterricht erhielt man im Studiengang Musik- und Tanzpädagogik.

In den Abteilungen für Tanz- und Unterhaltungsmusik (TUM) wurden – vor allem ab Mitte der 1960er Jahre – spezielle Fächer für Popularmusik angeboten. Dazu gehörten Arrangement, Jazztheorie, Popularmusik-Geschichte.

Teil des Musikstudiums waren – wie für alle Hoch- und Fachschulstudenten in der DDR – auch der Russischunterricht und das Fach Marxismus-Leninismus. Musiker waren ein „Aushängeschild“ für die DDR auf dem internationalen Markt und sollten deshalb ideologisch entsprechend geschult sein. Die Ausbildung an den DDR-Musikhochschulen war generell sehr praxisorientiert und zielte darauf ab, vielseitige Musiker auszubilden, die sowohl künstlerisch als auch pädagogisch tätig sein konnten. Die bekanntesten Studienorte für Musik waren die Musikhochschulen Hanns Eisler in Berlin, Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Carl Maria von Weber in Dresden und Franz Liszt in Weimar. Für musikalisch interessierte und begabte Kinder und Jugendliche standen etwa 100 Musikschulen in der gesamten DDR zur Verfügung. Sie erhielten hier Instrumental-, Gesang- oder Tanzunterricht. Dazu gehörten z.B. die Musikschule Georg Philipp Telemann in Magdeburg oder die Musikschule Friedrichshain in Ost-Berlin. Etwa 600 als besonders begabt eingestufte Kinder hatten die Möglichkeit, an sogenannten „Jugendmusikschulen“, die den Musikhochschulen zugeordnet waren, ab dem 6. Lebensjahr eine musikalische Ausbildung im Rahmen der allgemeinen Oberschulausbildung zu erhalten. Solche Spezialschulen gab es in Dresden, Berlin, Halle und Weimar.

Die berufliche Weiterentwicklung war abhängig von Begabung und beruflichem Erfolg. Die meisten Hochschulabsolventen hatten die Wahl zwischen einem Job in der Musikpädagogik oder als Instrumentalist, Dirigent oder Sänger. Musiker war einer der wenigen Berufe, die eine echte Karriere versprachen.   

Der Liedermacher und Komponist Holger Biege mit seiner kleinen Tochter am Klavier in seiner Wohnung, Ost-Berlin, DDR 1979.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Wer seinen Lebensunterhalt als Sänger oder Instrumentalist verdienen wollte, der hatte ein entsprechendes Studium an einer Musikhochschule zu absolvieren, denn „Professionalität definierte sich in der DDR nicht über den Marktwert eines Künstlers, sondern über seine Qualifikation.“ 1953 wurde eine Anordnung erlassen, die besagte, dass ausschließlich Profimusiker Tanzmusik in öffentlichen Einrichtungen aufführen durften. Dies wurde im gleichen Jahr jedoch wieder gelockert, da solche Ansprüche nicht den realen Gegebenheiten entsprachen. Amateurmusiker waren nun zugelassen, wenn z. B. kein Berufsmusiker vor Ort war. Bevor man aber als Profi- oder als Amateurmusiker auf die DDR-Bevölkerung losgelassen wurde, brauchte man eine spezielle staatliche Spielerlaubnis, die sogenannte „Pappe“. Dafür mussten sich die Musiker einer Einstufung vor einer speziellen Kommission unterziehen. Diese ehrenamtlich arbeitende Kommission wurde vom zuständigen Kabinett für Kulturarbeit (die Kabinette für Kulturarbeit waren bei den Verwaltungen der Kreise und Bezirke der DDR angesiedelt) zusammengestellt und sollte anhand bestimmter Bewertungskriterien überprüfen, ob eine Band oder ein Solokünstler in eine der festgelegten Spielstufen eingestuft werden konnten und wenn ja, in welche. An der Höhe der Spielstufe orientierte sich die Höhe der Honorare (Gagen).

In einem solchen Einstufungsverfahren mussten der Kommission zunächst Texte, Repertoirelisten, polizeiliche Führungszeugnisse und die Einverständniserklärungen der jeweiligen Arbeitgeber vorgelegt werden. Dann mussten die Musiker ihr Können vor der Kommission beweisen und ein halbstündiges Programm vortragen. Zusätzlich fragte die Kommission drei weitere Titel aus der vorgelegten Liste ab, um die Beherrschung des gesamten Repertoires zu überprüfen. Hatte eine Band die Einstufung erfolgreich durchlaufen, erhielt sie, sofern keine Einwände von Seiten der Volkspolizei oder dem Ministerium für Staatssicherheit vorlagen, die gewünschte Spielerlaubnis. Die wurde für Amateurbands vom jeweiligen Rat des Kreises, Abteilung Kultur vergeben, für Berufsmusiker von der Kulturabteilung des Rates des Bezirkes. Die Spielerlaubnis war zwei Jahre gültig. Danach mussten die Musiker die Prozedur erneut durchlaufen. Die Spielerlaubnis konnte jederzeit wieder entzogen werden.

Für den Erhalt der Spielerlaubnis musste manchmal ein Text überarbeitet oder auch der Bandname geändert werden, weil es politisch nicht passte – wie bei Herbst in Peking, einer Rockband aus der DDR. Diese musste sich für ihren Namen zahlreiche Genehmigungen einholen, unter anderem von einem Buchverlag, denn der Name war der Titel eines bekannten Buches, und von der chinesischen Botschaft. Offiziell durfte sich die Band nur H.I.P. nennen. Spielverbot erhielt H.I.P. 1989 während eines Konzerts, weil sie eine Schweigeminute für die Regierungskritiker, die Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking geworden waren, abhielten und aufgrund ihres Namens. Ob eine Spielerlaubnis erteilt und wann sie wieder entzogen wurde, hing zu einem guten Teil von der gerade aktuellen kulturpolitischen Situation in der DDR ab. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) sicherte sich durch zahlreiche Gesetze und Richtlinien juristische Verbindlichkeit in dieser Angelegenheit und hatte das letzte Wort. Nach erfolgreicher Einstufung wurden Bands und Solomusiker nach vier verschiedenen Vergütungsgruppen bezahlt. Die Grundstufe sah einen Stundensatz von 4 Mark, die Mittelstufe von 5 Mark, die Oberstufe von 6,50 Mark und eine Sonderstufe von 8,50 Mark vor. Mit der Art der Einstufung war auch die Zuladung an Equipment verbunden. Je höher die Stufe, desto mehr Equipment durfte aufgeladen und benutzt werden.

Letztendlich hing die Höhe des Einkommens eines Musikers aber von der Anzahl der Auftritte ab und ob er Berufs- oder Amateurmusiker war. Bei Berufsmusikern richtete sich die Höhe der Honorare pro Auftritt danach, ob sie in Orchestern bzw. Kammermusikorchestern spielten oder Solist, Dirigent oder Tanz- und Unterhaltungsmusiker waren.

Musiker, die keine Spielerlaubnis erhielten, konnten ihren Beruf im offiziellen Kulturbetrieb nicht ausüben. Oft waren die Verweigerung oder der Entzug der Spielerlaubnis politisch motiviert. Es kam auch vor, dass Bands und Liedermachern verboten wurde, bestimmte Teile ihres Repertoires zu spielen. Viele gut ausgebildete Musiker stellten deshalb einen Ausreiseantrag. Sie sahen in der DDR für sich keine Zukunft. Genau wie die Literatur oder die bildenden und darstellenden Künste sollte auch die Musik in der DDR zur Erziehung der Menschen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ beitragen. Deshalb wurde bei der Wahl der Musikrichtung, bei Liedtexten und musikalischen Arrangements großer Wert auf Konformität zu Ideologie und Politik des Landes gelegt.  

Musik war eine wichtige Einnahmequelle für den Staat. Schlagerstar Frank Schöbel in Ost-Berlin. Das Ehepaar Chris Doerk und Frank Schöbel waren das Traumpaar im Showgeschäft der DDR. Von der Singleschallplatte „Wie ein Stern“ wurden im Westen 150.000, im Osten 400.000 Stück verkauft. Um den Hit im NDR vorzutragen, genehmigten die ostdeutschen Behörden den Künstlern den Trip in den Westen. März 1972, DDR.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
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Transformation

Nach dem Zusammenbruch der DDR 1989 war die Entwicklung der ostdeutschen Musikkultur ungewiss. Da nun jedes Konzert einer West-Band besucht und jeder Tonträger einfach im Geschäft gekauft werden konnte, füllten die stets ausverkauften Ost-Bands bald keine Säle mehr und der Plattenverkauf ging drastisch zurück. Diese Auflösungserscheinungen betrafen alle Musik-Genres. Glücklicherweise war dies aber nur eine Übergangserscheinung. Bereits Mitte der 1990er Jahre wurden zahlreiche Platten des ehemaligen DDR-Labels AMIGA neu auf CD herausgebracht. Es entstanden 20 Sampler mit Best of Rock aus Deutschland Ost. Und viele DDR-Musiker gingen wieder auf Tour oder produzierten neue Alben. Das bis heute existierende Phänomen Ostrock wurde geboren. Da die ehemaligen Sendeanstalten der DDR mit der Wiedervereinigung von westlichen Rundfunkanstalten übernommen wurden, wurde Ostrock als Ostalgie abgetan und in öffentlichen Sendern verhältnismäßig selten gespielt. Doch wenn man 20 oder 30 Jahre seiner Lieblingsband die Treue gehalten hat, dann verschwindet die Liebe nicht einfach mit dem Mauerfall. Neue musikalische Einflüsse kamen hinzu und noch heute sind die Touren von erfolgreichen Ost-Bands wie City, Silly oder den Puhdys sehr schnell ausverkauft. Auch die folkloristische Musik, besonders aus dem Erzgebirge, hatte Bestand. Durch einen Auftritt in der ZDF-Sendung „Melodien für Millionen“ im Jahr 1991 fand das traditionelle Erzgebirgsensemble Aue bspw. nicht nur deutschlandweite Anerkennung, sondern gewann auch zahlreiche internationale Musikpreise. Und das weltberühmte Internationale Dixieland Festival, das 1974 in Dresden ins Leben gerufen wurde, existiert seit über 50 Jahren und lockt heute wie damals viele Tausende Jazzfans von allen Kontinenten in die Stadt an der Elbe.

Schon zu DDR Zeiten erfolgreich, denn unpolitische Unterhaltung ging immer – die ostdeutsche Folkloregruppe „Zschorlauer Nachtigallen“, Deutschland 1990er Jahre.
Quelle: IMAGO/United Archives
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Extra 1

Verbotene Musiker 1 – Punkbands in der DDR

Schleim-Keim, Wutanfall, Planlos, Rosa Extra, Namenlos, Die Firma, Feeling B, L`Attentat sind nur einige der wirklich zahlreichen Punkbands in der DDR, deren Gründung in die 1980er Jahre fällt. Punk war eine Bewegung, die Ende der 1970er Jahre aus England kam. Über westliche Radiosendungen, die ein großer Teil der Menschen in der DDR sehr zum Ärgernis der Ideologiewächter der SED empfangen konnten und in denen Punkmusik gespielt wurde, schwappte diese Musikrichtung über die Mauer und die innerdeutsche Grenze in die DDR. Anfangs zerstreut und überschaubar gründeten sich in Halle, Erfurt und in einigen Orten Thüringens die ersten Bands. Durch ihre verrückten Outfits fielen die Punks auf der Straße schon von weitem auf. Schnell richtete die Staatssicherheit ihr Augenmerk auf diese sich neu formierende Jugendgruppe. Es ging den Punks weniger darum, qualitativ hochwertige Musik zu machen, als mit dem System der DDR und dem Establishment zu brechen. So begann der Staat Punks zu kriminalisieren. Sie wurden verhaftet, Konzerte aufgelöst, Instrumente beschlagnahmt und die meist jungen und meist männlichen Mitglieder der Punk-Bands zur Armee eingezogen, wo sie neben einem ordentlichen Haarschnitt auch ordentliches Benehmen lernen sollten. Aber wie es so schön heißt: „Punk‘s not dead!“ Mitte der 1980er Jahre wurden die Punks offensiver, die Szene ging mehr in die Öffentlichkeit und Konzerte fanden regelmäßig in Kirchen statt, wo die Staatssicherheit und die Polizei keine Hoheit hatten. Mitschnitte von illegalen Konzerten wurden auf Kassetten vervielfältigt und getauscht, denn die meisten Punkbands bekamen bei dem Versuch einer Einstufung keine Spielerlaubnis, weil die Darbietung nicht der sozialistischen Gesellschaftsnorm entsprach. In der Szene half man sich gegenseitig und lieh oder tauschte Instrumente, Proberäume, Fahrzeuge und auch mal Bandmitglieder. Ab 1985 spaltete sich die Punkszene in rechte und linke Punks, Skinheads und auch Neonazis. Bis zum Ende der DDR versuchte die Staatssicherheit diese Jugendgruppen zu unterwandern, zu kontrollieren und zu zersetzen. Zu spät fiel ihnen auf, dass sie – trotz staatlicher Repressionen – schon längst Teil der Jugendkultur in der DDR geworden waren.

Tanzende Punks bei einem Punkkonzert in der Immanuelkirche in Berlin Prenzlauer Berg, DDR, 1985
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
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Extra 2

Verbotene Musiker 2 - Liedermacher

Menschlich fühl ich mich verbunden
mit den armen Stasi-Hunden
die bei Schnee und Regengüssen
mühsam auf mich achten müssen
die ein Mikrophon einbauten
um zu hören all die lauten
Lieder, Witze, leisen Flüche
auf dem Klo und in der Küche
– Brüder von der Sicherheit
ihr allein kennt all mein Leid

Diese Passage stammt aus dem Lied „Die Stasi-Ballade“ von Wolf Biermann, welches er 1967 in Ost-Berlin schrieb. Wolf Biermann war Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie und siedelte 1953 von Hamburg in die DDR über. In seinen Liedern und Gedichten setzte er sich kritisch mit der Form der Machtausübung durch die SED und deren Interpretation einer sozialistischen Gesellschaft in sehr deutlicher Weise auseinander. Ihn verband eine tiefe Freundschaft zu Robert Havemann, einem Naturwissenschaftler, der aufgrund seiner Kritik an der sozialistischen Wirklichkeit in der DDR mit Berufs- und Lehrverbot belegt worden war und 1976 unter Hausarrest gestellt wurde. Die Staatssicherheit überwachte Biermann mittels heimlich eingebauter Abhörgeräte in der Wohnung und setzte Spitzel auf ihn an. Ab 1965 hatte der Musiker und Dichter vollständiges Auftrittsverbot in der DDR. Seine Lieder wurden illegal auf Tonband oder Kassette weiterverbreitet oder nachgesungen. 1976 wurde Biermann zu einem Auftritt in die BRD nach Köln eingeladen und durfte ausreisen. Allerdings ließ ihn die SED-Führung – rechtswidrig – nicht wieder in die DDR einreisen. Seine Ausbürgerung trat eine große Protestbewegung in der ostdeutschen Künstlerszene los. Eine Petition, in der die Unterzeichner die Wiedereinreise Biermanns verlangten, wurde von zahlreichen Künstlern in Ost- und Westdeutschland unterschrieben. Viele der im offiziellen Kunst- und Literaturbetrieb etablierten Künstler jedoch unterzeichneten diese Petition nicht. Wenige waren davon überzeugt, dass der Staat mit der Ausweisung Biermanns richtig gehandelt hatte, die meisten aber hatten Angst vor Repressionen oder dass sie ihre Reisefreiheit einbüßen würden, wenn sie sich für einen Regimekritiker einsetzten. Zahlreiche der Unterzeichner gerieten ins Visier der Stasi und wurden unter Druck gesetzt, ihre Unterschrift zurückzuziehen. Es war eine typische Maßnahme, Menschen mit kultureller Reichweite mundtot zu machen oder aus dem Land zu ekeln. Weitere Musiker und Literaten mit ähnlichem Schicksal waren z.B. Klaus Renft von der Band Renft-Combo, der Schriftsteller Jürgen Fuchs, der Liedermacher Stephan Krawczyk.     

Der von der DDR nach dem Konzert in Köln nicht wieder in das Land gelassene Liedermacher Wolf Biermann trat zusammen mit ausgewiesenen Künstlern auf. Mitglieder der ehemaligen Renft-Combo, die Musiker Pannach und Kunert, waren nach der Inhaftierung gegen ihren Willen aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen und nach West-Berlin abgeschoben worden. Wolf Biermann (40) bei einem Konzert in der Eissporthalle in West-Berlin, November 1977.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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Spannendes aus der DDR BOX